Auf der Klimaratssitzung am 22.6.2021 stellte Forstbezirksleiter Philipp Schweigler einen Leitbild-Entwurf für den Nußlocher Gemeindewald vor. Über die Vorberatung des Leitbilds im Klimarat haben wir ausführlich berichtet.
Am 6.7.2021 haben wir dann dem Nußlocher Klimarat einen alternativen Entwurf eines Leitbilds vorgelegt, da der initiale Entwurf unserer Ansicht nach zu wenig konkret und insgesamt sehr unverbindlich formuliert war.
Konstruktiv nach vorne
Im Dialog mit Bürgermeister Joachim Förster machten wir anschließend den Vorschlag, die beiden Leitbilder vergleichend gegenüberzustellen, um weitere Ansatzpunkte für eine verbesserte Version des künftigen Leitbilds zu entwickeln.
Wir erhofften uns dadurch eine Arbeitserleichterung für den Klimarat und schlussendlich für den Gemeinderat.
Herr Bürgermeister Förster bestärkte uns in dieser Idee, so dass wir unter großem Zeitdruck an der Gegenüberstellung gearbeitet haben. Am 28.7. haben wir das Ergebnis schließlich an Herrn Bürgermeister Förster übergeben.
Sehr gerne möchten wir unsere Gegenüberstellung heute auch mit allen anderen am Wald interessierten Bürger*innen teilen.
Entlang von 17 Aspekten haben wir die wichtigsten Elemente der beiden Dokumente vergleichend gegenübergestellt und mit zusätzlichen Erläuterungen versehen. Zusätzlich haben wir den Vergleich als PDF-Dokument zum Download bereitgestellt.
Wie jedes Mal freuen wir uns auch zu diesem Thema auf einen fruchtbaren Dialog!
Die in den beiden Leitbildern definierten Ziele ähneln einander auf den ersten Blick. Signifikanter Unterschied ist allerdings im Komplex Klimaschutz zu erkennen.
Während das Leitbild der Förster von einer Anpassung der Bestände an den Klimawandel spricht, zielt die Waldvision auf einen klaren Beitrag des Nußlocher Walds zum Klimaschutz ab und ist hier deutlich differenzierter.
Das Leitbild der Waldvision sieht außerdem waldpädagogische Angebote im Sinne einer besseren Öffentlichkeitsarbeit vor.
Das Ziel Holzbereitstellung ist in beiden Varianten nachgelagert, unterscheidet sich aber stark im angedachten Umfang.
Das Leitbild Förster sieht eine Anreicherung des Totholzvorrates vor. Das ist generell sehr positiv, es werden aber keine konkreten Angaben gemacht, weder darüber, wie groß der derzeitige Holzvorrat ist, noch auf welchen Wert er erhöht werden soll. Totholzanreicherung beschränkt sich auf die unbewirtschafteten Gebiete (Waldrefugien, Leimer Klinge und Habitatbaumgruppen).
Der Literatur kann man entnehmen, dass der durchschnittliche Holzvorrat im deutschen Wirtschaftswald zwischen 11,0 – 28,8 m3/ha liegt. Der Totholzvorrat eines Buchenwalds (z.B. Naturwaldreservat Leitenwies in Bayern) wies in 2009 160 m3/ha auf, während die Heiligen Hallen in Thüringen 244 m³/ha enthalten. Der Urwald Uholka-Shyrokyi Luh in den Karpaten hat einen Totholzvorrat von 163 m³/h.
Konkret ergibt sich für den Nußlocher Wald ein angestrebter Totholzvorrat von 128 m³/ha.
Im Leitbild Förster sind 32,2 ha, entsprechend 9,8% der Fläche als aus der Bewirtschaftung genommen ausgewiesen, davon 20,2 ha als Waldrefugien. Diese Waldrefugien sind größtenteils am Forstrand gelegen, wobei zwei sogar die von ForstBW vorgeschriebene Mindestgröße von 1 ha unterschreiten. Das größte Gebiet ist ein isoliertes Waldstück in der Nähe der Kiesgrube und nicht Teil des zusammenhängenden Gebietes des restlichen Waldes.
Das Leitbild Waldvision sieht vor, die Waldrefugien als Referenzflächen zu den übrigen, in Zukunft zu bewirtschaftenden Flächen auszuweisen. Das heißt konkret, dass den im Gemeindewald auftretenden Waldformen (z.B. Waldmeister- und Hainsimsen-Buchenwald, Eichenmischwald, Buche-Laubholzmischwald), die abhängig von Standort und Bodenqualität sind, eine unbewirtschaftete Referenzfläche gegenübergestellt wird. An dieser Referenzfläche kann dann beobachtet werden inwiefern die Bewirtschaftung das natürliche Gefüge im Wald beeinflusst; Maßnahmen können bei Bedarf ergriffen werden.
Im FFH-Managementplan wird auf die Leitlinie ForstBW Praxis Alt- und Totholzkonzept verwiesen.
Dieses sieht geschützte Einzelbäume vor (d.h. Großhöhlen-, Großhorstbäume und Bäume mit bekannten Fortpflanzungs- und Ruhestätten von zu schützenden Arten) sowie Habitatbaumgruppen im Hauptnutzungsbestand.
Eine Habitatbaumgruppe mit 15 Bäumen je 3 ha sind vorgesehen. Das heißt konkret für den Gemeindewald mehr als 100 Habitatbaumgruppen.
Fördergelder sollten dafür von Land und Bund abgerufen werden.
Das Leitbild Förster sieht die Förderung eine Baumartenmischung mit trockenheitstoleranten Baumarten vor. Dagegen ist wahrscheinlich nichts einzuwenden. Die besondere Behandlung der Buchenalthölzer wie im Leitbild Förster vorgeschlagen, sollte jedoch durch ein Moratorium für die nächsten Jahre ausgesetzt werden.
Die Entnahme von geschädigten Bäumen führt erwiesenermaßen dazu, dass umstehende, intakte Bäume freigestellt werden und dadurch des Schutzes des Verbands beraubt werden. Buchen sind lichtempfindlich und reagieren mit Sonnenbrand der Rinde und Blattnekrose.
Die Auflichtung des Bestands führt weiterhin zu erhöhter Temperatur im Waldinneren und Austrocknung des Waldbodens, und damit zu den bekannten Trockenheitsschäden.
Wir weisen darauf hin, dass die Buche (Fagus sylvaticus) eine weite Verbreitung bis in den Süden und Osten Europas aufweist, wo die Bäume sich an ein trockeneres und wärmeres Klima natürlich angepasst haben. Der im Leitbild Förster angegebene Ellenberg-Quotient (eine empirische Größe) wird dort noch weit übertroffen.
Diese Maßnahme soll verhindern, dass Freiflächen entstehen, auf denen nachwachsende Bestände (durch Pflanzung oder Naturverjüngung) der Hitze und Trockenheit schutzlos ausgesetzt sind. Unter dem Schirm der bestehenden Totbäume sollen neue Bestände natürlich oder durch Pflanzung nachwachsen.
So wird außerdem verhindert, dass z.B. die Brombeere, die sich auf solchen Flächen hauptsächlich ausbreitet, den Nachwuchs von Bäumen verhindert oder langfristig herauszögert (wie am oberen Seidenweg geschehen).
Eine Strategie zur Überführung der Altersklassenwälder in Naturwald sollte erarbeitet werden. Mit Hilfe einer Beratung sollte festgestellt werden, welches die beste Strategie ist.
Die übliche Durchforstung wie im Leitbild der Förster beschrieben hat in den letzten Jahrzehnten offensichtlich nicht zum Erfolg geführt.
Eine eventuelle Überführung in einen Dauerwald und die dafür notwendigen Maßnahmen sollten in Betracht gezogen werden.
Das Leitbild Waldvision ist auf diesen Punkt nicht gesondert eingegangen, da wir ihn als selbstverständlich vorausgesetzt haben. Wir werden diesen Punkt aber auch übernehmen.
Zur Information: Im Nachbarland Rheinland-Pfalz wird der Einsatz von Pestiziden im Wald schon seit 2020 nicht mehr praktiziert.
Hier stimmen beide Leitbilder überein. Das Leitbild Förster merkt an, dass die Naturverjüngung die Ansiedelung trockenheitsresistenter Mischbaumarten unterdrückt.
Dieser Punkt muss weiter unter Fachleuten (siehe Beratung von außen) erörtert werden.
Das Leitbild Förster sieht die weitere Nutzung des bestehenden Rückegassennetzes vor. Dieses hat teilweise Abstände von nur 20 m (siehe z.B. Wieslocher Weg und Richtstattweg) mit einer unzulässigen Breite von über 6 m für einzelne Wege. Diese Rückegassen sollen mit sofortiger Wirkung stillgelegt und nicht mehr befahren werden. Die Befahrung von Rückegassen führt zu Bodenverdichtung (d.h. das Netz von für die Bäume lebenswichtigen Bodenlebewesen, hauptsächlich Pilzen) wird unterbrochen, des Weiteren führt die Befahrung mit schwerem Gefährt zu Wurzelabrissen bei umliegenden Bäumen, beides mit negativen Folgen für die Bäume.
Der Einsatz von schonenderen Maschinen oder sogar Rückepferden sollte geprüft werden. In einigen Wäldern ist damit schon Erfahrung gesammelt worden. Dieses sollte mit entsprechend erfahrenen Fachleuten erörtert werden.
Die flächige Befahrung (einschließlich Fräsen des Bodens), wie z.B. am Seidenweg geschehen, verdichtet den Boden und sorgt für weitere Freisetzung von CO2 (noch einmal 40% des durch die Fällung der Bäume freigesetzten CO2 wird zusätzlich emittiert). Dieses könnte durch die in Punkt „Waldstruktur“ beschriebenen Maßnahmen verhindert werden.
Das Leitbild Förster sieht weitere Anpflanzungen von nichtheimischen Baumarten vor. Wir fordern den kompletten Verzicht von Neuanpflanzungen. Vor- und Nachteile dieser Strategie sollten mit weiteren Fachleuten erörtert werden.
Hierbei ist zu beachten, das nichtheimische Arten das heimische Waldökosystem stören, da heimische Arten voneinander abhängig sind. Wir wissen, dass solche Systeme sehr artenarm sind, welches im Gegensatz zu den Grundsätzen des Leitbild Waldvision steht: Erhöhung der Artenvielfalt und damit der Resilienz der Natur.
Spezielle Artenschutzmaßnahmen sind generell zu begrüßen, sollten aber in Zusammenarbeit mit Fachleuten erarbeitet werden, um sicherzustellen, dass die getroffenen Maßnahmen auch den gewünschten Zweck erfüllen. Unser Leitbild sieht hier nur indirekt Maßnahmen durch eine Andersbehandlung des Waldes vor.
Im Leitbild Förster werden Artikel in der Rathaus Rundschau und Waldbegehungen zur Aufklärung der Bevölkerung vorgeschlagen.
Das Leitbild Waldvision würde diese durch den Aufbau von waldpädagogischen Angeboten weiterhin ergänzen. Durch die Einführung einen QM-Systems werden durchgeführte Maßnahmen und deren Auswirkungen transparent gemacht.
Die Verkehrssicherungspflicht gilt im Wald nur eingeschränkt. Entlang von öffentlichen Straßen, Bebauung und Erholungseinrichtungen müssen die Bäume regelmäßig kontrolliert werden. Es sollte in Betracht gezogen werden, tote Äste zu entfernen, anstatt den ganzen Baum zu fällen.
Laut BGH-Urteil vom 2.10.2012 besteht keine Verkehrssicherungspflicht für waldtypische Gefahren. Waldtypische Gefahren sind alle Gefahren, mit denen im Wald zu rechnen ist, insbesondere das Umstürzen von Bäumen (auch von toten Bäumen), das Abbrechen von Ästen, Steinschlag in Bergregionen, Unebenheiten oder kleine Gräben im Gelände usw. Der Waldbesucher nutzt den Wald auf eigene Gefahr, daher ist eine Haftung des Waldbesitzers für waldtypische Gefahren ausgeschlossen.
Im Leitbild Förster steht: „Entlang von Waldwegen ist die Rechtslage unklar, wo eine konkrete Gefahr zu erwarten ist haben wir aber in jedem Fall eine ethische Verantwortung.“ Laut BGH-Urteil ist die Lage keineswegs unklar. Der Waldbesitzer ist allerdings verpflichtet, zum Beispiel nach einem schweren Sturm, die Lage zu überprüfen und drohende Gefahren zu beseitigen.
Das Leitbild Waldvision weist auf den Verbiss durch Rehwild hin. Das Forsteinrichtungswerk gibt keinen Hinweis auf den Verbisszustand des Gemeindewaldes. Dieser sollte überprüft werden, so dass im Bedarfsfall entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden können.
Ein Qualitätsmanagement soll in diesem Kontext die Gemeinde dabei unterstützen sicherzustellen, dass der Wald nach den vorgegebenen Standards bewirtschaftet wird.
Eine Zertifizierung von Naturland oder ähnliches würde das Qualitätsmanagement unterstützen und helfen weitere Standards zu definieren. Die aktuelle Zertifizierung nach PEFC ist nicht ausreichend.
Es muss definiert werden, ob und inwieweit ein Holzbedarf durch die Handwerksbetriebe in Nußloch besteht und ob und wie dieser Bedarf durch den Wald gedeckt werden kann und muss.