Die Malm-Kommode, das Papier auf dem Schreibtisch und das Brennholz im Kamin

In einem offenen Brief an die Gemeinde hat der Nußlocher Bürgermeister Förster kürzlich die Bürger gebeten, darüber nachzudenken, wo denn die Malm-Kommode, das Papier auf dem Schreibtisch oder das Brennholz im Kamin zukünftig herkommen sollen, wenn in den Wäldern kein (oder weniger) Holz geerntet werden sollte. In diesem Artikel untersuchen wir diese Fragestellung und liefern zusätzlichen Kontext.

Wenn über den Wald und seine Funktion diskutiert wird, treffen sehr gegensätzliche Auffassungen aufeinander. Die eine, oftmals vom Forst vertretene Seite, argumentiert, dass der Wald, bzw. das daraus (nachhaltig) geerntete Holz, die Basis vieler Produkte des täglichen Bedarfs ist, die zum großen Teil das im Holz gespeicherte CO2 weiterhin über lange Zeit fixieren. Die andere Seite argumentiert, dass die Forstwirtschaft Flora und Fauna im Wald (zer)stört, so dass der Wald bald seine Funktionen als CO2 -Speicher, Wasser- und Luftfilter und Klimamaschine nicht mehr erfüllen kann.

Bürgermeister Förster hat in einem offenen Brief an die Gemeinde kürzlich die Bürger gebeten darüber nachzudenken, wo denn die Malm-Kommode, das Papier auf dem Schreibtisch oder das Brennholz im Kamin zukünftig herkommen sollen, wenn in den Wäldern kein (oder weniger) Holz geerntet werden sollte.

Das ist eine berechtigte Frage, die ich im Folgenden untersuchen möchte.

Die Malm-Kommode

Die Malm-Kommode steht für Produkte aus Holz, die über längere Zeit genutzt werden und damit das im Holz gespeicherte CO2 längerfristig binden.
Zu diesen Produkten gehört Bauholz, dessen geschätzte mittlere Lebensdauer etwa 50 Jahre beträgt, sowie Möbel, Furniere und Spanplatten etc., mit im Schnitt 20 Jahren Lebensdauer, Tendenz abnehmend. Am Ende ihrer Lebensdauer können diese Produkte noch energetisch genutzt, d.h. zur Energiegewinnung verbrannt oder in der Papierproduktion eingesetzt werden.

Einerseits ist die Lebensdauer eines Baumes wesentlich höher als die mittlere Lebensdauer seiner Produkte und er lagert zeit seines Lebens weiteres CO2 ein. Andererseits können durch die Verwendung von Holz CO2 intensive Stoffe ersetzt werden, wie z.B. Beton oder Plastik. Insofern könnte die Verwendung von Holz für diese Art von Produkten sinnvoll sein, allerdings vorausgesetzt, dass tatsächlich andere Werkstoffe ersetzt werden [1].
Die Frage auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte, ist die nach unserem Konsumverhalten: Wie oft braucht man eine neue Malm Kommode?
Aber eine Frage, die wir uns stellen müssen, ist die nach dem Anteil des geschlagenen Holzes, welches zu langlebigen Produkten verarbeitet werden kann.
Der Stammholzanteil, also derjenige Anteil des Baumes, der in Produkte verwandelt wird, beträgt 45% bei Laubholz (hier: Buche) und 80% bei Nadelholz (hier Fichte), siehe Abbildung 1 [2].

Abbildung 1: Anteile von Fichte und Buche, die im Sägewerk verwendet werden können [2].

Die restlichen Anteile verbleiben teilweise im Wald oder werden energetisch verwertet, doch dazu später.

Jetzt müssen wir zwischen Nadelholz und Laubholz unterscheiden. 60% des Nadelstammholzes können zu Schnittholz verarbeitet werden, d.h. diese werden zu langlebigem Bauholz. Die restlichen 40% sind Sägenebenprodukte die zu Spanholzplatten o.ä. und Papier (12% für Holzwerkstoffe/7% für Zellstoff) oder eben Pellets (21%) verarbeitet werden [3].

Abbildung 2: Nutzungsanteile von Stammholz [3].

Die Verarbeitung von Laubholz (hier Buche) zu Schnittholz ist stark variabel. Sie hängt vom angestrebten Produkt und der ursprünglichen Stammdicke ab. Im Durchschnitt liegt die Schnittholzausbeute bei Laubhölzern um die 50%. Die andere Hälfte sind Sägenebenprodukte die, wie oben genannt, verarbeitet werden [4].

Wir stellen also fest, dass aus 100 m3 Fichte (100 x 0,8 x 0,6) = 48 m3 zuzüglich 5 m3 für Holzwerkstoffe = 53 m3 langlebige Produkte hergestellt werden, d.h. 53% des ursprünglichen Baumes.

Für Laubholz kommen wir auf (100 x 0,45 x 0,5) = 22,5 m3 zuzüglich 6 m3 für Holzwerkstoffe = 28.5 m3 für langlebige Produkte, d.h. 28.5% des ursprünglichen Baumes.

Der größte Teil des Restes wird zur Energiegewinnung verbrannt. Nur etwa 4 % bei Nadelholz und 8 % bei Laubholz verbleiben im Wald und werden nicht genutzt [5], S. 24.

ZWISCHEN-FAZIT

  1. Das geerntete Holz aus dem Nußlocher Wald trägt aufgrund seines hohen Anteils an Laubholz sehr wenig zur längerfristigen Bindung von CO2 in Produkten bei. Der weitaus größte Teil des Nußlocher Holzes wird verbrannt.
  2. Allgemein sollten wir unseren Holzkonsum, insbesondere die kürzer werdenden Umtriebszeiten für Möbel, überdenken.
  3. Die Substitution CO2-intensiver Produkte wie z.B. Zement oder Plastik durch Holz findet nur minimal statt. Es werden eben nicht vermehrt Holzhäuser gebaut, die Zement ersetzen würden.
  4. Es müssen verstärkt Wege gefunden werden, um Laubholz ebenfalls als Bauholz einsetzen zu können.

Papier auf dem Schreibtisch

Deutschland ist der viertgrößte Papierhersteller der Welt, aber im pro Kopf Verbrauch sind wir Weltmeister: 2018 waren es 240 kg pro Kopf, noch vor den USA und Japan. 1990 waren es „nur“ 188 kg. Seit den 90er Jahren hat sich der Verbrauch von Druck- und Büropapier leicht verringert, wegen der Digitalisierung von Presse, Buch und Büro. Der Verbrauch von Hygienepapier hat sich dagegen fast verdoppelt und nicht überraschend, der Verbrauch von Pappe, Verpackungen und Karton ist um ein Vielfaches gestiegen, zurückzuführen auf die Zunahme des Online-Versandhandels.

Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass die deutsche Papierindustrie einen großen Exportüberschuss aufweist. Laut Verband der Deutschen Papierindustrie wird ungefähr die Hälfte der Gesamtproduktion exportiert [6].

Auch ist zu beobachten, dass das Gesamtabfallaufkommen und der Anteil an Altpapier daran sich in den letzten 20 Jahren kaum geändert haben. Daraus könnte man schließen, dass es nicht unbedingt der deutsche Verbraucher ist, der diese Zahl so hochtreibt. Trotzdem ist ein Verbrauch an Papierprodukten von über 100 kg pro Kopf pro Jahr extrem hoch und es besteht ein hohes Einsparpotential [7].

1996 waren für den Versand an an Privathaushalte 120.000 Tonnen Papier, Pappe und Kartons nötig, 2015 waren es schon 769.000 Tonnen. Hier kann jeder Verbraucher selbst aktiv werden und sich fragen: Welche Waren muss ich wirklich online bestellen und zu mir schicken lassen und welche kann ich der Umwelt zuliebe genauso gut direkt im Laden kaufen?

Verband Deutscher Papierfabriken e. V. [8]

Die gute Nachricht ist, dass 76% des zur Papierherstellung eingesetzten Rohstoffes Altpapierfaser ist und „nur“ 24% Frischholz benötigt wird; das entspricht etwa 4 Mio. t. Allerdings sind wir leider nicht Weltmeister im Papierrecycling, der Titel gebührt der Schweiz, mit 96% Altpapiereinsatzquote, gefolgt von den Niederlanden mit 88% [7]. Da wir auch viel Papier importieren, liegt der durchschnittliche Altpapieranteil im verbrauchten Papier unter 60%. Es ist also noch Luft nach oben. Soll heißen: Wir sollten mehr Recyclingpapier verwenden.

Abbildung 3: Zellstoffimporte nach Deutschland. Darstellung aus [9].

Von den 4 Mio. t Frischholz werden 3.1 Mio. t importiert, hauptsächlich aus Brasilien, Finnland, Schweden und Portugal. Damit ist trotz massiv gestiegener Produktion das Rohstoffaufkommen seit den 90er Jahren ungefähr gleich geblieben. Es ist festzustellen, dass das benötigte Frischholz inländisch gedeckt werden könnte, wenn wir nicht 50% unseres Holzes verbrennen würden.

ZWISCHEN-FAZIT

  1. Der Papierkonsum muss allgemein reduziert werden. Besonders der Versandhandel sollte alternative Verpackungen finden. Der Einzelne muss seine Online-Bestellungen hinterfragen.
  2. Die Recyclingrate muss und kann noch weiter erhöht werden.
  3. Der Import von Frischholz zur Herstellung von Zellstoff muss reduziert und durch eigene Produktion oder Altpapier ersetzt werden. Allein die Reduktion von Holzverbrennung und der Einsatz in der Papierherstellung könnte rein rechnerisch den Import unnötig machen. Hier könnte auch der Nußlocher Wald seinen Beitrag leisten.

Brennholz im Kamin

Womit wir beim nächsten Thema wären: Der Einsatz von Holz zur Energiegewinnung. Der steigende Holzbedarf im Mittelalter durch eine wachsende Bevölkerung, Verstädterung und beginnende Industrialisierung hat den Waldbestand in Deutschland von über 70% der Landesfläche auf unter 30% gesenkt. Erst die organisierte Forstwirtschaft und dann vor allem der Einsatz von Kohle und später Erdöl und Erdgas zur Energiegewinnung haben eine weitere Rodung des deutschen Waldes verhindert. Allerdings ist unser Wald stark bewirtschaftet, Urwälder gibt es keine mehr in Deutschland und rund 97% des Waldes sind bewirtschaftet: Der Wald muss für sein Überleben arbeiten.

Seit den 90er Jahren ist die Holzproduktion stetig gestiegen [5], obwohl die Waldfläche seit 2012 leicht rückläufig ist [10].

Der Holzverbrauch insgesamt (Waldholz, Restholz, Recycling) verdoppelte sich zwischen 1990 und 2016 von 64,8 Mio. m3 auf ca. 127,4 Mio. m3 (Festmeteräquivalente). Die stoffliche Verwendung (d.h. zur Herstellung von Produkten aus Holz) wuchs zwischen 1990 und 2016 um 38,8 %. Die energetische Verwendung wuchs im gleichen Zeitraum um das Dreifache. Inzwischen wird 50% des Holzes zwecks Energiegewinnung verbrannt [5].

Abbildung 4: Vergleich der Holzrohstoffbilanz für 1990 und 2016. Innerhalb dieser Zeitspanne hat sich der Holzverbrauch verdoppelt. Mittlerweile wird knapp die Hälfte des Holzes zur Energieproduktion eingesetzt [5].

Wie ist die Steigerung des Holzverbrauches möglich? Woher kommt das Holz?

Tatsächlich wird wesentlich mehr eingeschlagen: 39 Mio. m3 in 1998 im Vergleich zu 52 Mio. m3 in 2016 [11].  Der Gesamtverbrauch wird weiterhin gedeckt durch die zunehmende Nutzung von Altholz und Landschaftspflegematerial und natürlich den Import von Holz. In 2016 hatten wir einen leichten Importüberschuss (7.8% des im Inland verwendeten Holzes wurde importiert, 3,5% des im Inland produzierten Holzes wurde exportiert (S. 8, [5])), der sich in den Jahren 2018 – 2020 zu einem Exportüberschuss gewandelt hat [12].

Unsere Forstwirtschaft ist laut ihrem Selbstverständnis nachhaltig. Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft bedeutet, dass nicht mehr Holz entnommen wird als nachwächst. Eine Frage die sich aufdrängt ist, wie eine Steigerung des Holzeinschlages um mehr als 25%, ohne dass die Gesamtwaldfläche größer geworden ist, weiterhin nachhaltig sein kann?

Argumentiert wird mit dem jährlichen Zuwachs, der seit 1986 alle zehn Jahre in der Bundeswaldinventur festgestellt wird. Die Letzte wurde in 2012 publiziert [13] und es wurde festgestellt, dass im Schnitt 11.2 m3/ha pro Jahr zuwachsen (8,7 für Laubbäume und 12.8 für Nadelholz) und damit eine theoretische jährliche Ernte von 75,7 Mio. m3 (S. 25, [5]) möglich ist. Das liegt noch über der geernteten Menge. Allerdings sind die Erntemengen in den Jahren 2018, 2019 und 2020 mit 63, 64 und 80 Mio. m3 pro Jahr dem theoretischen Wert nahe gekommen, bzw. haben ihn überschritten. Was sind die Konsequenzen daraus für die Vorratsentwicklung und letztendlich für die Nachhaltigkeit der deutschen Forstwirtschaft?

Nachhaltig?

Die Berechnungen der Bundeswaldinventur sowie auch der Forsteinrichtungswerke (das sind die 10-Jahrespläne für die Nutzung des Waldes auf lokaler Ebene) beruhen auf stichpunktartigen Messungen, die dann auf größere Gebiete hochgerechnet werden.

In den letzten Jahren haben verschiedene Wissenschaftler Satellitenaufnahmen von Europa und Deutschland, mit Hinblick auf die Waldentwicklung, ausgewertet. Denn eine ähnliche Zunahme des Holzverbrauches und der damit einhergehenden Abholzung ist in ganz Europa zu beobachten [14]. Die Auswertung der Aufnahmen über die letzten zehn Jahre zeigt eine deutliche Abnahme der Waldbestände. Die Autoren warnen davor, die Wälder so zu übernutzen. Das DLR (Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt) hat letztes Jahr eine ähnliche Studie auch basierend auf Satellitendaten durchgeführt [15]. Die Studie zeigt, dass in den Jahren zwischen Januar 2018 und April 2021 Baumverluste entsprechend 5% der Waldfläche Deutschlands zu beobachten waren [16]. Dieser Verlust liegt erheblich höher als bisher angenommen, siehe Abbildung 5.

Abbildung 5: Baumverluste in Deutschland – Übersichtskarte. Die Gra­fik zeigt den An­teil der ab­ge­stor­be­nen und zum größ­ten Teil be­reits ab­ge­holz­ten Wald­flä­che pro Landkreis. Der Rhein-Neckar-Kreis liegt mit bis zu 12% im Mittelfeld [16].

Es stellt sich also umso mehr die Frage, was die Konsequenzen daraus für die Vorratsentwicklung und letztendlich für die Nachhaltigkeit der deutschen Forstwirtschaft sind? Die bisher gemachten Annahmen sind „offensichtlich“, im wahrsten Sinne des Wortes, nicht richtig. Deshalb müssen sie, besonders in Anbetracht der Unwägbarkeiten des Klimas, angepasst, d.h. nach unten korrigiert werden.

Es muss weniger geerntet und in der Konsequenz weniger verbraucht werden, am besten weniger verbrannt werden.

Holz zur Energiegewinnung: Zurück in die Zukunft?

Anfang 2000 hat in Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz [17], welches Holz als emissionsfreien Energieträger eingestuft hat, dafür gesorgt, dass Holz verstärkt als Alternative zu fossilen Brennstoffen eingesetzt wird.

Die Position der Grünen, den damals und bis vor kurzem noch größten Befürwortern dieser Strategie, hat sich auf Bundesebene mittlerweile gewandelt.

„Weder die energetische Nutzung noch kurzlebige stoffliche Holzverwendung etwa für Papier, Versandverpackung oder Einwegartikel entsprechen diesem Ziel…“ und „Eine Verfeuerung von Holz in Kohlekraftwerken ist dagegen klima- und ressourcenpolitischer Irrsinn, der keine Förderung verdient. Denn die Holzverbrennung setzt in kurzer Zeit frei, was in vielen Jahrzehnten an Kohlenstoffdioxid im Wald gespeichert wurde.“

Auszug aus dem Grünen Autorinnenpapier „Zukunft für heimische Wälder sichern“ vom 8 August 2021 [18]

Dennoch wird auf lokaler Ebene immer noch die energetische Nutzung von Holz gepriesen, gefördert und als Ultima Ratio gegen den Klimawandel betrachtet.

Was steckt hinter der Aussage, dass Holzverbrennung eben nicht klimaneutral ist?

Natürlich entsteht bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas als auch bei der von Holz CO2. Das Argument für die Bevorzugung von Holz ist, dass das Holz schließlich wieder nachwächst und damit das CO2, welches bei der Verbrennung freigesetzt wurde, wieder bindet. Das stimmt natürlich auch, aber der Prozess ist eben sehr langsam.

Und, noch viel schlimmer, da die Energiedichte von Holz geringer ist als die von Erdgas, Erdöl oder Kohle, wird 1.5 bis 3-mal soviel CO2 für die Produktion der gleichen Energiemenge freigesetzt [19, 20]. Auf der verlinkten Webseite findet sich eine Beispielrechnung für die Verbrennung von Holz als Heizmittel eines Hauses [21].

Dieses ist hier illustriert:

Abbildung 6: Zeigt die Menge CO2 (in kg) die bei der Verbrennung von Holz, Erdgas, Heizöl und Steinkohle für die Erzeugung von 1.000 kWh freigesetzt wird. Im Vergleich zu Erdgas erzeugt Holz 2,3-mal so viel CO2, oder 1,6-mal soviel wie Heizöl. Daten aus [22].

Wenn das Holz im Wald verbleibt und stattdessen Erdgas oder Heizöl verbrannt wird, wird erstens weniger CO2 freigesetzt und zweitens wachsen die Bäume weiter und speichern weiteres CO2. In grün die Menge CO2, die durch den Verzicht auf Holzverbrennung im Wald verbleibt und durch Zuwachs weiteres CO2 in Zukunft speichert. Werden diese Bäume verbrannt, braucht es Jahrzehnte, bis wieder die gleiche Menge CO2 eingelagert ist [19].

Abbildung 6: In grün die Menge CO2, die durch den Verzicht auf Holzverbrennung im Wald verbleibt. Durch Zuwachs der Bäume würde außerdem weiteres CO2 in der Zukunft gespeichert.

Abbildung 7 stellt die Gesamteinlagerung von CO2 während der Wachstumsphasen des Waldes dar. Während der sogenannten Optimalphase, in der die Bäume an stärksten wachsen, wird am schnellsten CO2 eingelagert.

Abbildung 7: Wachstumsphasen im Wald. Im Schnitt sind die Bäume in der Optimalphase, dem rot umrandeten Bereich, 80 Jahre alt. Zu diesem Zeitpunkt werden sie gefällt.  Abbildung aus [23].

Durch die Verbrennung von Holz wird in sehr kurzer Zeit das CO2 ausgestoßen, welches innerhalb von 80 Jahren in Bäumen eingelagert wurde. Wir befinden uns jedoch jetzt in einer entscheidenden Phase der Klimakrise. Wir müssen jetzt den CO2-Gehalt in der Atmosphäre senken. Indem wir kein Holz verbrennen und die Bäume zur weiteren Einlagerung benutzen, können wir den bestehenden Wald nutzen, um CO2 zu binden und nicht, um unsere Energieprobleme zu lösen.

Wie wir oben festgestellt haben, wird von dem Buchenholz, welches hauptsächlich bei uns geschlagen wird, 70% kurzfristig in CO2 umgesetzt. Die Umsetzung passiert im Rahmen direkter Energiegewinnung (als Scheitholz oder Pellets) oder zur Papierherstellung.

Wer profitiert von der relativ günstigen Energie aus dem Nußlocher Wald?

Scheitholz oder Pellets dienen hauptsächlich der Verbrennung in privaten Haushalten. Die Nutzung erfolgt also durch Bürger, die sich ein eigenes Haus leisten können. Wir müssen uns fragen, ob es gerecht und richtig ist, Haushalte zu subventionieren die sich, im Durchschnitt, die zur Zeit sehr hohen Heizkosten leisten könnten, während diejenigen, die zur Miete in Mehrfamilienhäusern wohnen, keine andere Wahl haben, als die hohen Kosten irgendwie zu tragen.

ZWISCHEN-FAZIT

  1. Der Holzverbrauch und die Holzernte ist in den vergangenen 2 – 3 Jahrzehnten signifikant gestiegen. Mittlerweile werden 50% des Holzaufkommens in Deutschland zu Brennholz.
  2. Die letzten Dürrejahre haben den Zustand des Waldes in ganz Deutschland signifikant verschlechtert. Diese Veränderung ist noch nicht in den  Forsteinrichtungsplänen berücksichtigt. Es wird geerntet wie bisher.
  3. Holzverbrennung ist ökologisch zu diesem Zeitpunkt nicht nachhaltig. Zur Erzeugung der gleichen Energiemenge gelangt durch die Verbrennung von Holz mehr CO2 in die Atmosphäre als durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen. Das Nachwachsen der Bäume, und damit die erneute Bindung des freigesetzten CO2, erfolgt über einen Zeitraum der zu lang ist, um den Klimawandel einzudämmen.
  4. Von der günstigen Energie aus dem Nußlocher Wald profitieren hauptsächlich Hausbesitzer.

Welche Bilanz ergibt sich für den Nußlocher Wald?

Der Nußlocher Gemeindewald wird seit 1851 forstwirtschaftlich verwaltet. Im sogenannten Forsteinrichtungswerk wird der Wald in 10-Jahreszyklen vermessen und der Zuwachs und Einschlag erfasst.

2019 haben wir laut Forsteinrichtungswerk in 327 ha Holzbodenfläche, die zu 80% mit Laubbäumen bestanden ist (Buche, Eiche, Bergahorn etc) und zu 20% mit Nadelholz (Lärche, Fichte, Douglasie). Mit 319 Vfm/ha (Vorratsfestmeter [m3] pro ha) ist unser Wald relativ „mager“. Zum Vergleich, der durchschnittliche deutsche Wald hat 336 m3/ha, ein Buchenurwald hat 550 – 700 m3/ha.  Durch die Schäden in den letzten drei Jahren dürfte der Bestand bei uns noch weiterhin signifikant abgesunken sein.

Abbildung 8 zeigt einen Auszug aus dem Forsteinrichtungswerk. Der Holzvorrat ist von 358 m3/ha in 1996 auf heute 319 m3/ha abgesunken. Das heißt, dass über die Jahre mehr geerntet wurde als nachgewachsen ist. Für die Periode 2019 – 2028 wird wieder etwa gleichviel geerntet werden wie, laut Voraussage, nachwachsen soll.

Abbildung 8: Der Holzvorrat ist von 358 m3/ha in 1996 auf heute 319 m3/ha abgesunken.

Aus den 26.700 m3 (Erntefestmetern) Holz im letzten Jahrzehnt wurden nur knapp 9.000 m3 langlebige Produkte hergestellt (s.o.). Der Rest ist schon längst wieder als CO2 in der Atmosphäre.

Abbildung 9 illustriert die Entwicklung des Holzvorrates im Nußlocher Gemeindewald über die letzten 3,5 Jahrzehnte.  Der Holzvorrat wird nicht weiter ausgebaut. Im Gegenteil, es wurde etwas mehr geschlagen als nachgewachsen ist. Der Hiebsatz ist für die neue Dekade auf 6,4 m3/ha reduziert worden, aber dafür wurde auch die Vorratsentwicklung sehr optimistisch mit 9,0 m3/ha geschätzt. Ein Rekordwert in unserem Wald!

Allein die Jahre  2018 – 2020 haben massive negative Veränderungen gebracht: das Absterben von Fichtenbeständen und die Schädigung der Buchen haben massive Fällungen nach sich gezogen die unseren Wald weiter aufgelichtet haben. Diese Bestände stehen also für weiteren Zuwachs in der erwarteten Höhe nicht zur Verfügung.  Die Unwägbarkeit des Klimas in der näheren Zukunft verlangt eine vorsichtige, konservative Einschätzung der Zuwächse und damit des Hiebsatzes, so dass das System nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Die oben erwähnten Satellitendaten deuten darauf hin, dass die Abschätzungen der Forstwirtschaft in den letzten Jahrzehnten zu optimistisch waren, von den massiven Schäden der letzten Jahre ganz abgesehen. Dass die in der Forsteinrichtung angenommenen hohen Zuwächse für das nächste Jahrzehnt eintreffen, muss deshalb bezweifelt werden. Schon allein deshalb muss der jährliche Hiebsatz signifikant reduziert werden, um mindestens den Bestand zu erhalten.

Abbildung 9: Entwicklung des Holzvorrates im Nußlocher Gemeindewald in m3 über die letzten drei Forsteinrichtungsperioden (rote Linie). Die grünen Linien zeigen die theoretische Vorratsentwicklung, wenn seit 1996 oder 2019 nicht mehr eingeschlagen worden wäre.

Wenn wir den Hiebsatz auf null reduzieren, d.h. in der nächsten Dekade kein Holz einschlagen würden, würde der Nußlocher Wald zusätzliche 35.500 t CO2 speichern, d.h. 3,2 t pro Einwohner.  Wenn man mit den optimistischen Zuwächsen rechnet, würde der Wald auf 394 m3/ha anwachsen.

ZWISCHEN-FAZIT

  1. Der Nußlocher Wald ist seit 1996 abgemagert, d.h. in den letzten Jahrzehnten wurde mehr geerntet als nachgewachsen ist.
  2. Es ist geplant soviel zu ernten wie voraussichtlich nachwächst. Es werden keine Konsequenzen aus den letzten Dürrejahre und ihren Folgen gezogen, d.h. es wird weiterhin mit hohen Zuwachszahlen gerechnet. Unser Wald läuft Gefahr weiterhin abzumagern und permanenten Schaden zu nehmen.
  3. Aufgrund seines hohen Laubholzanteils leistet der Nußlocher Wald kaum einen Beitrag zur Herstellung langlebiger Produkte die CO2 speichern. 70% unseres Holzes werden innerhalb kürzester Zeit in CO2 umgewandelt.

Schlussfolgerungen

Wir müssen feststellen, dass die Bindung von CO2 in langlebigen Produkten wie Bauholz oder Möbeln nur in relativ geringem Maße passiert, insbesondere in Wäldern mit hohem Laubholzanteil. Richtige Substitution von CO2 -intensiven Produkten, wie z.B. Zement oder Plastik durch Holz findet nur minimal statt: Es werden eben nicht vermehrt Holzhäuser gebaut, die Zement ersetzen würden.

Unser Papierverbrauch muss deutlich verringert werden und der Import von Frischholz zur Herstellung von Zellstoff könnte rein rechnerisch durch inländisches Holz ersetzt werden, wenn dieses nicht verbrannt würde.

Die Verbrennung von Holz zur Energiegewinnung muss eingestellt werden, da sie den Klimawandel beschleunigt.

Der Wald in Europa und Deutschland wurde in den letzten Jahrzehnten verstärkt genutzt, was, wie über Satellitenbilder nachgewiesen, zur Auflichtung der Bestände geführt hat. Die Trockenheitsjahre 2018 – 2020 haben zusätzlich allein in Deutschland Baumverluste die 5% der gesamten Waldfläche entsprechen, bewirkt. Wenn keine Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen gezogen werden, werden wir unseren Wald weiterhin übernutzen und in naher Zeit unwiederbringlich schädigen.

Die Forstwirtschaft muss wahrhaft nachhaltig werden. Und nicht nur nachhaltig was den Erhalt des Bestandes angeht, sondern auch nachhaltig für das Ökosystem Wald, da beides nicht ohne schwerwiegende Konsequenzen voneinander zu trennen sind.

Für den Nußlocher Wald ergeben sich exemplarisch folgende Optionen/Szenarien:

Weiter so wie bisher

Es wird wie vorgesehen gefällt, mit der hohen Wahrscheinlichkeit, dass die Folgen des Klimawandels, im Zusammenspiel mit der Auflichtung des Waldes und der daraus resultierenden höheren Empfindlichkeit bei Trockenperioden dazu führen, dass unser Wald Gefahr läuft kaputt zu gehen. Kein zusätzliches CO2 wird über unseren Wald gespeichert.

Keine Holzernte in den nächsten 10 Jahren

Würden wir den Wald über die nächsten 10 Jahre wachsen lassen, würde er zusätzliche 35.500 t CO2 speichern. Der Holzvorrat könnte auf 394 m3/ha anwachsen. Auch die „zufällige Nutzung“ , die sich aus Kalamitäten wie Absterben durch Trockenheit oder Borkenkäferbefall ergibt, wird im Wald belassen um den Totholzanteil auf ein für die ökologische Balance notwendiges Maß zu erhöhen.

Holzernte, die Nußlochs Beitrag für langlebige Produkte und Papier deckt

Über den Zeitraum von zehn Jahren verzichten wir auf das Schlagen von Holz zur Energiegewinnung und decken nur den Anteil von Holz der auch in den letzten Jahren zu Bauholz (etc.) und Papier verarbeitet wurde. Dieses wären ungefähr 9.000 m3 in einem Verhältnis 80:20 Laub- zu Nadelholz, welches durch Einzelstammentnahme geerntet wird. Auch hier ist die „zufällige Nutzung“ die sich aus Kalamitäten wie Absterben durch Trockenheit oder Borkenkäferbefall ergibt wird im Wald zu belassen, um den Totholzanteil auf ein für die ökologische Balance notwendiges Maß zu erhöhen. Waldrefugien und Habitatbäume dürfen nicht gestört werden.  In FFH Gebieten wird schonend geerntet. Beim Verkauf des Holzes wäre strikt darauf zu achten, dass nur Sägereien, die die Verwendung des Holzes nachweisen können, den Zuschlag bekommen.


Begrifflichkeiten und Größen

Hier eine Bemerkung zur Erklärung der verschiedenen Zahlen. Man unterscheidet hauptsächlich zwischen Vorratsfestmetern, also das Gesamtholz, welches im Wald steht, und Erntefestmetern, d.h. das Holz mit mehr als 7 cm Durchmesser (Derbholz), welches aus dem Wald geholt wird. Dabei geht man von Ernteverlusten von 10% und einem Rindenanteil von weiteren 10% aus. Es ergibt sich: Erntefestmeter x 1,2 = Vorratsfestmeter. Das heißt, die 52 Mio. m3 (Erntefestmeter) entsprechen 62,4 Mio. m3 Vorratsfestmetern Holz im Wald.


Quellen

1.
GHG displacement factors of harvested wood products: the myth of substitution. 
Leturcq, P.
Sci Rep 10, 20752 (2020).
https://doi.org/10.1038/s41598-020-77527-8
https://www.nature.com/articles/s41598-020-77527-8

2.
Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Holzwirtschaft: Welches Potential liegt in der Produktion?
https://www.proholz.at/zuschnitt/75/welches-potenzial-liegt-in-der-produktion

3.
Sägenebenprodukte und Industrierestholz - LWF-Wissen 70
Stefan Friedrich, Christina Schumann, Herbert Borchert, Fabian Schulmeyer und Jan-Philipp Egner 
https://www.lwf.bayern.de/forsttechnik-holz/biomassenutzung/033138/index.php

4.
Schwierigkeiten und Chancen in der Laubholzverarbeitung
V. Krackler, Peter Niemz, 2011
https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/wald-holz/fachinfo-daten/teil_1_bestandssituationeigenschaftenundverarbeitungvonlaubholza.pdf.download.pdf/
oder auch 
https://docplayer.org/53605578-Verarbeitung-und-verwendungsmoeglichkeiten-von-laubholz.html

5.
Broschüre Rohstoffmonitoring: Erwartungen und Möglichkeiten
Mantau et al, FNR 2018
https://mediathek.fnr.de/rohstoffmonitoring-holz-erwartungen-und-moglichkeiten.html

6.
VDP-Leistungsbericht PAPIER 2021
April 2021
https://www.papierindustrie.de/fileadmin/0002-PAPIERINDUSTRIE/07_Dateien/XX-LB/PAPIER2021-digital.pdf).

7.
Entwicklung des Papierverbrauchs in Deutschland
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Bettina Hoffmann, Tabea Rößner, Lisa Badum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 2019
https://dserver.bundestag.de/btd/19/136/1913658.pdf

8.
Warum verbrauchen wir Deutschen so viel Papier?
Die Papierindustrie e.V.
https://papierkannmehr.de/nachhaltigkeit/warum-verbrauchen-wir-deutschen-so-viel-papier

9.
Papierherstellung belastet Umwelt und Natur
https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/ressourcenschonung/papier/30384.html

10.
Wikipedia: Wald in Deutschland
https://de.wikipedia.org/wiki/Wald_in_Deutschland

11.
Das Umweltbundesamt
Holzeinschlag in Deutschland
https://www.umweltbundesamt.de/Abbildung/holzeinschlag-in-deutschland)

12.
Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes
Exporte von Rohholz im Jahr 2020 um 42,6 % gestiegen
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/05/PD21_N031_51.html

13.
Die dritte Bundeswaldinventur (BWI 2012). 
Inventur- und Auswertemethoden
Riedel T., Hennig P., Kroiher F., Polley H., Schmitz F., Schwitzgebel F. (2017): 
https://www.bundeswaldinventur.de/fileadmin/SITE_MASTER/content/Downloads/BWI_Methodenband_web.pdf

14.
Abrupt increase in harvested forest area over Europe after 2015
Ceccherini, G., Duveiller, G., Grassi, G. et al.. 
Nature 583, 72–77 (2020). 
https://doi.org/10.1038/s41586-020-2438-y

15.
Pressemitteilung Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Sor¬ge um den deut¬schen Wald
https://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2022/01/20220221_sorge-um-den-deutschen-wald.html

16.
A First Assessment of Canopy Cover Loss in Germany’s Forests after the 2018–2020 Drought Years. 
Thonfeld, F.; Gessner, U.; Holzwarth, S.; Kriese, J.; da Ponte, E.; Huth, J.; Kuenzer, C. 
Remote Sens. 2022, 14, 562. 
https://doi.org/10.3390/rs14030562

17.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz
https://www.erneuerbare-energien.de/EE/Redaktion/DE/Dossier/eeg.html?cms_docId=71110

18.
Zukunft für die heimischen Wälder sichern
Autoren: von Robert Habeck, Harald Ebner, Bettina Hoffmann, Oliver Krischer, Steffi Lemke und Lisa Badum
https://www.gruene.de/artikel/zukunft-fuer-die-heimischen-waelder-sichern

19.
Europe’s renewable energy directive poised to harm global forests.
Searchinger, T.D., Beringer, T., Holtsmark, B. et al. 
Nat Commun 9, 3741 (2018). 
https://doi.org/10.1038/s41467-018-06175-4

20.
SUPPLEMENTARY INFORMATION
Europe’s Renewable Energy Directive Poised to Harm Global Forests 
Searchinger et al.
https://static-content.springer.com/esm/art%3A10.1038%2Fs41467-018-06175-4/MediaObjects/41467_2018_6175_MOESM1_ESM.pdf

21.
Holz – ein ökologischer Brennstoff?
Gerlind Wallon, 2021
Holz – ein ökologischer Brennstoff?
22. The Engineering Toolbox Resources, Tools and Basic Information for Engineering and Design of Technical Applications! https://www.engineeringtoolbox.com/co2-emission-fuels-d_1085.html 23. Abbildung aus einem Vortrag von Prof. Dr. Bill Keeton, 2021 https://www.youtube.com/watch?v=-VzzIMMzKNc&t=391s

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