Klimastabiler Wald – aber wie?

Wie kann man den Wald klimastabiler machen? Welchen Einfluss haben dabei mögliche Kipppunkte? Ein Appell für eine vorsichtige Herangehensweise beim Umbau des Waldes.

Der Klimawandel ist seit 2018 auch bei uns im Wald angekommen. Die Fichten, eigentlich Bewohner des kühleren Nordens und von Bergregionen, vertrocknen, werden damit anfällig für Borkenkäfer und sterben großflächig ab. Aber auch unsere Laubbäume leiden unter der Trockenheit.

Aktiver Waldumbau

Die Forstwirtschaft sieht ihr Heil und das unserer Wälder im Waldumbau, d.h. dem verstärkten Anbau von wärmeliebenden und trockenheitstoleranten Bäumen. Und das natürlich möglichst schnell. Baumarten aus der europäischen Mittelmeerregion bieten sich aus Sicht des Forstes an.

Unsere Förster in Nußloch setzen auf Flaumeiche, aber auch auf Walnuss und Esskastanie.
Die letzteren beiden sind wohl schon mit den Römern zu uns gekommen und kommen vereinzelt in unseren Wäldern vor. Alle drei Baumarten werden von Forest Stewardship Council (FSC) und Naturland als nicht standortheimisch bezeichnet und dürfen in entsprechend zertifizierten Wäldern nicht angepflanzt werden.

Gepflanzte Kastanien im Nußlocher Gemeindewald
Gepflanzte Kastanien im Nußlocher Gemeindewald

Obwohl sich unser Gemeinderat ursprünglich für eine FSC-Zertifizierung ausgesprochen hat, steht diese jetzt auf Grund der angedachten Pflanzmaßnahmen in Frage.

Kipppunkte

Aber wie sinnvoll ist der hastige Waldumbau mit wärmeliebenden Arten? Tatsache ist, dass sich die mittleren Temperaturen auf der Erde langsam weiter erhöhen werden. Ein Ende des Eintrags von Treibhausgasen in die Atmosphäre ist nicht abzusehen, allen halbherzigen Beteuerungen vieler Staatschefs und -chefinnen zum Trotz.
Als Folge davon müssen wir damit rechnen, dass Kipppunkte erreicht werden, die, zumindest absehbar, unumkehrbare Folgen für den Planeten haben werden.

Golfstrom und AMOC

Einer dieser Kipppunkte ist die sogenannte atlantische meridionale Umwälzzirkulation (AMOC – Atlantic Meridional Overturning Circulation), den meisten von uns sicher besser bekannt als maßgeblicher Teil des Golfstroms. Diese Strömung sorgt dafür, dass wir hier in Nordeuropa ein recht mildes Klima haben.

Zum Vergleich: Heidelberg befindet sich auf dem gleichen Breitengrad wie Neufundland in Kanada oder Irkutsk in Sibirien – Gebiete, welche wesentlich kälter und für Landwirtschaft und eine hohe Bevölkerungsdichte wenig geeignet sind.

Wie stehen die Chancen, dass der Golfstrom und AMOC abbrechen?

Ein Artikel von Klimaforscher Professor Stefan Rahmstorf (Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) fasst die neuesten Erkenntnisse zusammen.

Grafik von Ruijian Gou aus dem Artikel “Was ist los mit der Atlantikzirkulation?” von Prof. Stefan Rahmstorf

Aufgrund von Forschungsarbeiten verschiedener Wissenschaftler hält er es für wahrscheinlich, dass die AMOC noch in diesem Jahrhundert, eventuell schon um 2050 abbricht – mit entsprechenden Folgen für unser lokales Klima.

Übrigens eine Auffassung, welche auch von Prof. Dr. Jürgen Bauhus, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats für Waldpolitik des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), auf einer öffentlichen Veranstaltung in der Klimaarena Sinsheim vertreten wurde.
Einige unserer lokalen Förster waren anwesend, mochten sich dieser Auffassung anscheinend jedoch nicht anschließen.

Die derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen jedoch eindeutig für beispiellose, dringende und ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen, um die Risiken von Kipppunkten im Klimasystem zu bewältigen.

OECD-Bericht über Climate Tipping Points

Risiken des aktiven Waldumbaus

Ein hastiger Waldumbau, der neueste wissenschaftliche Erkenntnisse (einschließlich der Arbeiten der Versuchsanstalten zur Baumarteneignung und der Zertifizierungsorgane) außer Acht lässt, ist hochgradig riskant.

Anpassungsfähigkeit natürlich vorkommender Baumarten

Bäume und das ganze Ökosystem Wald haben sich über Jahrmillionen an sich verändernde Bedingungen anpassen müssen: das genetische Potential z.B. der Buche, Trockenheitsbedingungen zu überstehen, wurde kürzlich in einer Studie des Senckenberg Instituts dargestellt.

In Anbetracht der Tatsache, dass wir nicht genau wissen, was auf den Wald in den nächsten Jahrzehnten zukommt und dass unsere Kenntnisse dieses sehr komplexen Ökosystems nach wie vor sehr beschränkt sind, erscheint eine vorsichtige Herangehensweise und ein Überdenken der bisherigen Forstwirtschaft im Zusammenhang mit dem Klimawandel angebracht.

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