Bei genauerer Betrachtung von Neophyten, jenen gebietsfremden Pflanzen, die in fremde Lebensräume eingebracht wurden, offenbart sich eine faszinierende und bedenkliche Geschichte.
Störanzeiger im Ökosystem
Einige dieser Neuankömmlinge, wie die Lupine oder die Goldrute, können tatsächlich das ökologische Gleichgewicht stören, und ihre Präsenz ist ein klarer Indikator für Unregelmäßigkeiten im Ökosystem.
Auch der ursprünglich aus China stammende Götterbaum, welcher vereinzelt im Nußlocher Gemeindewald anzutreffen ist, steht seit 2019 auf der Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung. Er darf deshalb innerhalb der Europäischen Union nicht mehr gehandelt werden.
Der Siegeszug der Kermesbeere
In unserer Nachbargemeinde Sandhausen hat die Kermesbeere, ein eingeschleppter Neophyt, auf dem kargen Sandboden einen unerwartet idealen Lebensraum gefunden. Erinnern wir uns an das Jahr 1998, als ich erstmals fasziniert die Kermesbeere im Sandhäuser Wald bewusst betrachtete: Dass ihre Frucht giftig ist habe ich schon damals herausgefunden – aber hätte ich sie doch damals lieber direkt entfernt!
Einst als Zierpflanzen in Gartencentern angeboten und von einigen Gartenbesitzern heimisch gemacht, haben sich diese Pflanzen durch die Mithilfe von Vögeln und Wildtieren im gesamten Hardtwald ausgebreitet. Im Jahr 2019 erhielt ich den Ratschlag eines Försters aus Sandhausen, diese Pflanzen im Rahmen eines Naturschutzprojektes zu entfernen. Für diese Aufgabe wurde ich sogar speziell geschult.
Die Bürgerinitiative Pro-Waldschutz e.V. aus Sandhausen versucht ebenfalls, die weitere Verbreitung dieses Neophyten zu verhindern. Die Auswirkungen der Kermesbeere speziell im Bereich der Schwetzinger Hardt und Möglichkeiten der Bekämpfung werden in einem Artikel von waldwissen.de sehr gut dargestellt.
Kermesbeere jetzt auch im Nußlocher Gemeindewald
Inzwischen ist jeder meiner Spaziergänge im Nußlocher Wald von einer gewissen Panik begleitet. Was noch vor drei Jahren undenkbar schien, ist nun traurige Realität.
Auf mehreren Flächen ist die Kermesbeere anzutreffen. Ich suche diese Flächen regelmäßig auf, um die Funde von Kermesbeeren über die „Nußloch App“ zu melden.
Dank der Genehmigung des Kreisforstamtes darf ich diese Pflanzen auch eigenständig entfernen. Beim Gang entlang des ehemaligen Nußlocher Wasserwerks oder auf der neuen Aufforstungsfläche an der Blockhütte begegne ich ihnen regelmäßig.
Die Kermesbeere ist eine wunderschöne Staude, die tiefe Pfahlwurzeln besitzt. Sie gibt Giftstoffe ab, die für andere Pflanzen toxisch sind. Dies führt dazu, dass in ihrer Umgebung nur wenige einheimische Arten gedeihen können.
Sie blüht wunderschön mit Blütenrispen und kann bis zu 2,5 m hoch werden. Sie im Frühstadium zu erkennen, ist allerdings gar nicht so leicht. Die heimische Tollkirsche, welche ebenfalls auf den Freiflächen aufgeht, sieht ihr in diesem Stadium nämlich sehr ähnlich.
Geänderte Voraussetzungen
Wenn sich die Früchte bilden, sieht die Pflanze ebenfalls prächtig aus. Wenn sie sich erst einmal verteilen, hat die Pflanze auf einer sonnigen Fläche gute Chancen, sich drastisch zu vermehren.
Wahrscheinlich hat sie sich nicht so gut im Nußlocher Wald entwickeln können, weil sie einerseits sehr lichthungrig und gleichzeitig frostempfindlich ist. Der bei uns natürlich vorkommende dichte Waldmeister-Buchenwald hatte ein geschlossenes Kronendach, wodurch nur wenig Licht auf den Boden fallen konnte.
Jeder Winter mit tiefen Minusgraden lässt mich hoffen, dass sie deshalb keine guten Bedingungen in unserem Wald finden und perspektivisch vielleicht doch wieder verschwinden wird.
Sie geht mittlerweile auch überall im Ort auf, und wir sollten alle wachsam sein, dass die Ausbreitung der Pflanze nicht den Lebensraum für die große Vielfalt an heimischen Pflanzen einengt und sie zusätzlich gefährdet.
Japanischer Staudenknöterich
Neben der Kermesbeere breitet sich auch der Japanische Staudenknöterich extrem aus.
Beim Spaziergang entlang des Leimbachs Richtung Racket Center lässt sich nicht übersehen, dass er sich mittlerweile auch in den Nußlocher Wiesen großflächig breit macht.
Die Geister, die ich rief…
Auch der Japanische Knöterich wurde einst als Zierpflanze nach Deutschland eingeführt, um Flächen zu bedecken und Böschungen zu begrünen. Über die Bäche und Flüsse hat er sich mittelweile invasiv auf großen Flächen verteilt und drängt die heimische Vegetation zurück.
Ähnlich wie Bambus bildet er ein unterirdisches Rhizom-Geflecht, aus dem im Frühjahr die zwei bis vier Meter hohen Triebe wachsen. Ihn loszuwerden ist eine mühselige Arbeit, weil das kleinste Wurzelgeflecht schon ausreicht, dass der Knöterich sich weiterentwickeln und neu austreiben kann.
Japanischer Knöterich im Wald
Im Nußlocher Wald ist er von uns zum ersten Mal im Jahr 2021 nach einer Schotterwegsanierung des Neuen Weges gesichtet worden. Möglicherweise wurden die Rhizome gemeinsam mit dem Schotter in den Wald eingebracht. Seitdem bemühen wir uns alle 14 Tage bei regelmäßigen Kontrollen, die Fläche freizuhalten. Hierfür hat uns die Gemeindeverwaltung eine Genehmigung erteilt, und in einer Mitmachaktion haben wir die Pflanzen initial entfernt.
Am Leimbach lässt sich beobachten, dass der Knöterich regelmäßig geschnitten wird. Damit verhindert man leider keineswegs seine Ausbreitung.
Wir stechen die Pflanzen grundsätzlich mit den Wurzeln aus und entsorgen sie ausschließlich über den hauseigenen Restmüll. Durch den hohen Stickstoffgehalt des Bodens an dieser lichten Stelle im Wald begegnen uns dort leider auch sehr viele Brennnesseln. Durch diese wird das Arbeiten vor Ort erschwert.
Für den Waldbestand ist der Japanische Knöterich nach Aussage des Försters ungefährlich.
Uns ist allerdings an der ökologisch wertvollen Krautschicht gelegen, die den Waldmeister-Buchenwald in Nußloch begleitet. Auf keinen Fall wollen wir, dass sich der Japanische Knöterich an anderen Stellen ausbreiten kann. Nur so lässt sich die Verdrängung weiterer heimischer Arten verhindern.
Chinesischer Blauglockenbaum
Ein weiterer Neophyt, der sich seit 2022 im Nußlocher Wald sehr wohl fühlt, ist der Chinesische Blauglockenbaum. Man findet ihn am Maisbacher Weg und wenn man dem Seidenweg bergan Richtung Wieslocher Weg folgt.
Aufmerksam wurde ich auf diesen Neophyten durch den Arbeitskreis Wald des BUND.
Dort wurde darüber informiert, dass der Baum die Gefahr birgt, als starker Konkurrent für die einheimische Vegetation aufzutreten, der als lichtbedürftige Pionierart gern offene Lebensräume besiedelt.
Genau an solchen frisch aufgelichteten Orten oder am Rand von Rückegassen und Wegen ist er auch bei uns im Wald zu finden.
Bedeutung der Neophyten für den Nußlocher Wald
Unser Wald ist zu großen Teilen nach Natura 2000 als Fauna-Flora-Habitatgebiet ausgewiesen und genießt somit den höchsten Schutzstatus der Europäischen Union. Gemäß Managementplan gilt ein Verschlechterungsverbot, was die Bedingungen für den Lebensraumtyp Waldmeister-Buchenwald angeht.
Der Nußlocher Wald ist ein wichtiges Puzzleteil im Biodiversitätsschutzverband. Jeder eingeschleppte Neophyt verschlechtert die Bedingungen für die heimischen Arten, weil er nicht in unserem ökologischen System beheimatet ist und die Ökologie nachhaltig stören kann.
Das Auflichten der geschlossenen Kronendächer, um mehr Licht auf den Waldboden fallen zu lassen, befördert in der Regel die weitere Verbreitung der Neophyten.
Die Neophyten, welche wir im Nußlocher Wald beobachtet haben, sind außerdem immer an Stellen starker forstlicher Eingriffe aufgetreten, sei es auf frisch geschaffenen Freiflächen oder neu geschotterten Wegen.
Hoffentlich gelingt es uns, die weitere Ausbreitung der Neophyten im Nußlocher Wald einzudämmen!