Waldzertifizierungen, Teil II – Welche Zertifizierung für Nußloch?

Welche Waldzertifizierung wünschen wir uns für den Nußlocher Gemeindewald? Wie ist der aktuelle Stand, welche Konsequenzen hat die Zertifizierung auf die waldbaulichen Maßnahmen des Forstes? Wir kommentieren die aktuelle Situation aus unserer Perspektive.

Blick zurück – und nach vorne!

In Teil I des Artikels über Waldzertifizierungen haben wir die drei wichtigsten Zertifizierungsprogramme für die Bewirtschaftung des Waldes vorgestellt.

PEFC, FSC und Naturland haben jeweils unterschiedliche Schwerpukte, Vorteile und Nachteile.

Der Nußlocher Gemeindewald ist zur Zeit nach PEFC zertifiziert. Warum keiner der großen Natur- und Umweltschutzverbände eine Zertifizierung nach diesem Standard empfiehlt, sollte durch den ersten Teil unseres Artikels klar geworden sein.

Auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich der Gemeinderat von Nußloch Ende 2021 einstimmig für die Zertifizierung nach dem FSC-Standard ausgesprochen.

In unserem offenen Brief an die Bürgerinnen und Bürger von Nußloch und Maisbach vom 8.2.2022 haben wir diesen Beschluss ausdrücklich gewürdigt und begrüßt:

Thema Zertifizierung: Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich der Gemeinderat auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für eine Zertifizierung nach FSC-Standard im Jahr 2022 ausgesprochen hat. Noch besser wäre direkt die Zertifizierung nach Naturland.

Auszug aus dem offenen Brief der BI Waldvision Nußloch vom 8.2.2022

Was bislang geschah…

Im Frühjahr 2023 startete das von der Gemeinde beauftragte Zertifizierungsunternehmen DIN CERTCO (TÜV Rheinland) mit einem sogenannten Vor-Audit.

Im Rahmen des Vor-Audits wurde unsere Bürgerinitiative neben anderen Interessenvertretern um eine Stellungnahme gebeten. Trotz hohen zeitlichen Drucks haben wir diese fristgerecht abgegeben. Dabei ging es in erster Linie darum, ob und wie die verschiedenen Aspekte der FSC-Richtlinien bei der Bewirtschaftung des Nußlocher Gemeindewaldes nach unserer Wahrnehmung eingehalten wurden und werden.

Ergebnisse des Vor-Audits

Der Zertifizier hat bislang noch keine finale Version des Berichts zum Vor-Audit vorgelegt. Nichtsdestotrotz wurde dem Gemeinderat im Juli 2023 eine vorläufige Version zur Verfügung gestellt.

Die 20 vorläufigen Beobachtungen des Zertifizierers lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:

  • Vorgaben, welche in Nußloch bereits praktiziert, aber nicht ausreichend dokumentiert werden. Eine entsprechende Dokumentation würde den Aufwand seitens der Verwaltung erhöhen. Auch eine mögliche Anpassung des Forstseinrichtungswerks an das verabschiedete Leitbild, welche noch vorgenommen werden müsste, fällt in diese Kategorie.
  • Waldbauliche Maßnahmen, welche in der Vergangenheit durchgeführt worden sind, aber zukünftig so nicht mehr umgesetzt werden dürften, z.B. die von uns seit langem kritisierten flächigen Anpflanzungen von Douglasien.
  • Waldbauliche Maßnahmen, welche sofort gestoppt wurden, um eine mögliche Zertifizierung nicht zu gefährden, z.B. das Nachpflanzen nicht-heimischer Baumarten in den Bestand.
Die abgeräumte Fläche wurde anschließend mit Douglasien aufgeforstet

Warum eine höherwertige Zertifizierung?

Wie aus der begleitenden Unterlage der Verwaltung zur Gemeinderatssitzung im Juli 2023 hervorgeht, wird die höherwertige Zertifizierung  nach FSC als große Chance begriffen:

Die Verwaltung sieht in der Zertifizierung die große Chance, die Akzeptanz der Arbeiten des Revierleiters und der Forstwirte bei der Bevölkerung zu stärken. Das Zertifikat, ausgestellt durch einen neutralen Dritten, bestätigt einerseits den schonenden Umgang mit unserem Wald, andererseits zeigt es auf, dass die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, um unseren Wald “klimafit” zu machen. Mit dem Leitbild hat sich die Gemeinde Nußloch hier schon eine gute Grundlage gegeben, die durch den FSC-Standard noch ergänzt wird.

Auszug aus der Beschlussvorlage zum Vorgang GR-66/2023

Schon das Vor-Audit des unabhängigen Zertifizierers hat allerdings unsere Befürchtungen bestätigt, dass einige der forstlichen Maßnahmen des Revierleiters und der Forstwirte eben nicht konform sind mit einer naturnahen, ökologischen Waldbehandlung bzw. den gesetzlichen Vorgaben.

Notwendige Anpassungen in der Art der Waldbehandlung

Um das FSC-Zertifikat zu erhalten, müssten deshalb an einigen Stellen neue Wege eingeschlagen werden, was die forstliche Behandlung unseres Waldes angeht. Diese neuen Wege bedeuten gleichzeitig waldbautechnische Einschränkungen, welche aus unserer Sicht letztendlich dem Wald zu Gute kämen.

FSC im deutschen Wald
Quelle: FSC Deutschland

Hier ist festzustellen, dass diese Einschränkungen bereits jetzt über das verabschiedete Leitbild bzw. den FFH-Managementplan geregelt sind und deshalb in diesem Jahr gar nicht erst zur Umsetzung hätten kommen dürfen.

Z.B. ist das Anpflanzen von Ess-Kastanien im Lebensraumtyp Waldmeister-Buchenwald laut FFH-Managementplan untersagt. Das Einbringen solcher Bäume führt zu einer Verschlechterung des Lebensraumtyps, welchen es zu erhalten und zu stärken gilt. Dieser Managementplan ist gesetzlich verbindlich, und der Gemeinderat hat sich diesem Plan und den entsprechenden Vorgaben mit Verabschiedung des überarbeiteten Leitbilds nochmal explizit verpflichtet.

Vertagung der Entscheidung

Wir waren von der im Gemeinderat geführten Diskussion sowohl überrascht als auch enttäuscht.

Das Vor-Audit hat ergeben, dass einige unserer im Vorfeld vorgebrachten Bedenken durchaus berechtigt sind, wie jetzt  von unabhängigen Dritten im Rahmen eben dieses Vor-Audits bestätigt wurde.

Anstatt diesen Sachverhalt anzuerkennen und die forstliche Praxis so anzupassen, dass sie den ökologischen Vorgaben des FSC-Standards tatsächlich entspricht, wurde die FSC-Zertifizierung für den Nußlocher Gemeindewald von mehreren Fraktionen mit einem Mal in Frage gestellt.

Unser Standpunkt

Das Herz unserer Bürgerinitiative hängt sicherlich nicht an der FSC-Zertifizierung an sich. Bei freier Auswahlmöglichkeit würden wir eine Zertifizierung nach Naturland bevorzugen.

Andererseits wäre eine neutrale Perspektive und Bewertung, welche auch schon die FSC-Zertifizierung mitbringen würde, ein wichtiger Schritt, um das Vertrauen in Revier- und Forstbezirksleiter zu stärken.

Die ausschließliche Beratung des Gemeinderats durch den Forst, welcher dann mit der Umsetzung seiner eigenen Vorschläge beauftragt wird, ist offensichtlich nicht ausreichend, um den Anforderungen naturnaher und ökologischer Waldbehandlung gerecht zu werden.

Deshalb wünschen wir uns eine Zertifizierung durch unabhängige Dritte – entweder nach dem Standard FSC oder nach Naturland.

Forstarbeiten am Fichtenkahlschlag

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