Die Bundeswaldinventur (BWI) setzt mit der Ankündigung, dass der deutsche Wald zur Kohlenstoffschleuder geworden ist, einen Paukenschlag. Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse am 8. Oktober 2024 wurde in der Tagesschau und in der Tagespresse über die Inventur berichtet. Ansonsten fällt die begleitend veröffentlichte Broschüre hauptsächlich durch Auslassungen, Verschleierungen, Beschönigungen und Widersprüche auf.
Ausgelassen
Artensterben im Wald
Unter der Überschrift „Biodiversität im Wald – unverzichtbar“ wird die hohe Artenvielfalt der deutschen Wälder beschrieben, und ein Hinweis auf die Rote Liste betont die Wichtigkeit alter Waldbestände und eine ungestörte Waldentwicklung.
Völlig ausgelassen wird die in der wissenschaftlichen Literatur beschriebene Tatsache, dass allein im Zeitraum von 2008 – 2017 im Wald die Anzahl von Insekten(arten) um 40% eingebrochen ist. Weitere Forschung zeigt, dass dieser Einbruch eng mit der Waldnutzung zusammenhängt. Das heißt, dass auch die im Bericht betonte „naturnahe Waldbewirtschaftung“ wie in Deutschland praktiziert, nicht zum Erhalt der Biodiversität beiträgt. Im Gegenteil!
Verschleiert
Wachstumsrückgang durch Trockenheit mindestens 35%
Die BWI spricht von einem Wachstumsrückgang um 16%. Das ist zwar richtig über den Verlauf der 10 Jahre, die die Waldinventur umspannt, aber der Wachstumsrückgang ist hauptsächlich den Dürrejahren 2018 – 2022 geschuldet. Inspiriert von einem großangelegten Versuch der TU München haben wir die Jahresringe von bei uns im Wald gefällten Buchen vermessen. Die Dicke der Jahresringe zeigt, wieviel ein Baum im entsprechenden Jahr gewachsen ist. Übereinstimmend mit den Resultaten der Wissenschaftler der TU München haben wir einen Rückgang des Wachstums bei der Buche während der Trockenjahre um 35% festgestellt.
Es ist wichtig, den Einfluss der Trockenheit auf das Baumwachstum zu kennen, denn aufgrund der vorhergesagten Wachstumsrate wird der Hiebsatz bestimmt, d.h. wieviel Holz pro Jahr entnommen werden kann. Um weiterhin nachhaltig zu sein, darf nicht mehr Holz entnommen werden als nachwächst. Legt man 16% Wachstumseinbruch zugrunde, wird mehr Holz entnommen als in den letzten Jahren nachgewachsen ist, in denen wir, wie gezeigt, einen 35%igen Einbruch (bei der Buche) zu verzeichnen hatten. Leider steht nicht zu erwarten, dass sich die Bäume schnell erholen, oder gar, dass der Klimawandel abgesagt ist, trotz des relativ feuchten Jahres 2024. Es müssen dringend entsprechende Konsequenzen gezogen werden.
Auf meine Nachfragen bei den Forstämtern Heidelberg und Rhein-Neckar Anfang des Jahres sah man keine Notwendigkeit, irgendetwas anzupassen. Man kann nur hoffen, dass sich diese Einstellung geändert hat und den Forstämtern die entsprechenden Zahlen der letzten 6 Jahre zur Verfügung stehen. Aus der BWI (und den dazugehörigen Tabellen) sind diese jedoch nicht zu entnehmen.
Beschönigt
Totholzanteil
Die BWI verbucht die Erhöhung des Totholzanteils als großen Erfolg im deutschen Wald und beschreibt einen Zuwachs von 21 m3/ha in 2017 auf 29 m3/ha in 2022.
An anderer Stelle weist der Bericht pikiert darauf hin, dass „der Eindruck, dass die Forstwirtschaft Kalamitätsholz vollständig aus dem Wald entfernt hätte“, unzutreffend ist. 14% seien schließlich im Wald verblieben.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Erhöhung des Totholzanteils pro ha nur rein rechnerisch entstanden ist und hauptsächlich den 14% auf den Flächen verbliebenem Kalamitätsholz geschuldet ist. Der tatsächliche Totholzanteil im deutschen Wald wird sich seit den für 2017 angegebenen 21m3/ha nicht groß verändert haben und ist damit immer noch weit unter dem für die Biodiversität notwendigen Anteil von 30 – 60m3/ha.
Widersprüche
Schutzgebiete, die nicht schützen
Schutzgebiete werden in der BWI kurz erwähnt (s. 28 und 30) als „wichtige Instrumente des Naturschutzes“, aber dann wird dem Leser klargemacht, dass das alles nur schöne Worte sind, denn „eine forstwirtschaftliche Nutzung der Gebiete ist grundsätzlich zulässig […]“.
Aus bitterer Erfahrung wissen wir, dass unser Wald in Nußloch, der zu 86% als FFH-Gebiet nach Natura 2000 unter Schutz gestellt ist, keineswegs vor forstwirtschaftlichen Maßnahmen geschützt ist.
Damit erleidet der Naturschutz im Wald das gleiche Schicksal wie der Naturschutz im Offenland. Und das ist ganz offensichtlich von staatlicher Seite so gewollt, mit den entsprechenden Konsequenzen für die Biodiversität.
Durchgehend wird im gesamten Werk für den Waldumbau geworben. Erstaunlicherweise wird jedoch nicht zwischen Gebieten, wo ein Umbau durchaus sinnvoll erscheint, also Fichten- oder Kiefernmonokulturen, und solchen, die heute schon Laub-(Misch-)Wälder sind, unterschieden.
Der Bericht warnt auf S. 47: „Zudem erfordert der notwendige aktive Waldumbau zu klimaangepassten Mischwäldern in aller Regel die Entnahme von alten Bäumen und führt somit zu einer Absenkung des Vorrats.“. Es steht zu befürchten, dass dieses vielerorts dazu führen wird, den Wald weiter zu „verjüngen“, mit entsprechenden Folgen für die Biodiversität. Man fragt sich, warum gerade alte Bäume entnommen werden müssen und warum wir uns beim Waldumbau nicht auf die 52% Nadelmonokulturen konzentrieren.
Wohltuend der Kommentar von Michael Bauchmüller in der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe vom 8.10.2024): „Wer einen gesunden Wald will, sollte einfach die Natur mal machen lassen.“
Danke für die kritische Betrachtung der Bundeswaltinventur!
Die Reaktionen der Forstlobby, aber auch beispielsweise aus dem Landwirtschaftsministerium in BW, ließen mich schaudern.
Die Lösung scheint:
Es muss mehr Forstwirtschaft, mehr „Umbau“, mehr Management der Wälder betrieben werden.
Alleine schafft das der Wald nicht.
Das durch Forstwirtschaft in den letzten Jahrzehnten die Gesundheit des Waldes immer schlechter wurde, wird nicht erwähnt.
Welch Überheblichkeit zu denken, der Mensch wüsste besser Bescheid als ein Millionen Jahrüe altes, zum Großteil unverstandenes Ökosystem.
Die Lösung kann nur sein den Wald nicht als Holzvorrat zu sehen und die ökonomischen Interessen in den Vordergrund zu stellen.
Ich empfehle allen interessierten Lesern hier bspw den Podcast „Peter und der Wald“ mit Peter Wohleben.
Ebenfalls interessant und leereich ein aktuelles Video zur Bundeswaldimventur von Herrn Wohleben:
https://www.youtube.com/live/-IsyOHJxDUI?si=bq3BUg1JN2KywtSr
Grüße aus Sinsheim- wo es natürlich sehr ähnlich läuft wie bei euch in Nussloch!