Vom 3. – 4.12.2022 veranstaltete die Klima Arena Sinsheim das Symposium „Waldwärts – Multitalent Wald im Dauerstress“. Auch unsere Bürgerinitiative war eingeladen, das Programm durch einen Vortrag aktiv mitzugestalten.
Spannender erster Tag
Eröffnet wurde die zweitägige Veranstaltung durch Frau Anja Hoffmann, Referentin für Sonderausstellungen, von der Klima Arena. Sie hatte die einzelnen Vorträge und Redner für das Symposium ausgewählt und war somit maßgeblich verantwortlich für die hochwertige Veranstaltung.
Beim nächsten Wald wird alles anders
Direkt im Anschluss eröffnete Prof. Dr. Hans Jürgen Böhmer mit seiner spannenden Keynote „Beim nächsten Wald wird alles anders“ die Vortragsreihe.
In seiner Präsentation orientierte er sich an seinem gleichnamigen Buch, welches in Zeiten der Pandemie entstanden ist. Wir haben uns direkt vor Ort ein Exemplar gesichert und können es uneingeschränkt empfehlen.
Prof. Dr. Böhmer bezog dabei immer wieder das Publikum in seine Überlegungen ein und machte sich u.a. auf die Suche nach den Ursachen des großen Waldsterbens in Deutschland in den 90er-Jahren. Dabei stellte er den Zusammenhang zu klimatischen Veränderungen schon damals her.
Ein Blick aus dem All: Die deutschen Wälder im Klimawandel
Auf die eindrucksvolle Keynote folgte direkt ein weiterer Höhepunkt: Dr. Jonas Franke von der Remote Sensing Solutions GmbH warf gemeinsam mit Dr. Torsten Welle von der Naturwald Akademie einen Blick auf die deutschen Wälder aus dem All.
Mit Satellitenaufnahmen u.a. aus dem Kopernikusprogramm liegen detailreiche, tagesaktuelle Aufnahmen des ganzen Planeten vor, die unter Einsatz von künstlicher Intelligenz mit Walddaten aus Deutschland abgeglichen und so in einer aussagekräftigen Visualisierung dargestellt werden können.
Der sogenannte Waldmonitor ist frei verfügbar und lädt dazu ein, den Zustand der heimischen Wälder inklusive Baumarten und auch deren Entwicklung zu untersuchen.
Neben einer Verteilung der Hauptbaumarten über die Zeit gibt es auch tagesaktuelle Indikatoren für Waldbrände. Aber auch andere Anwendungsszenarien sind denkbar.
Die Auflösung der Satellitenaufnahmen würde die Darstellung einer Fläche von 10 m x 10 m als 1 Pixel erlauben. Die öffentlich zugängliche Version ist allerdings etwas weniger hochauflösend, um die Praxistauglichkeit zu gewährleisten.
Der Kraichgauer Wald im Wandel
Nach den bis hier hin stark ökologisch geprägten Vorträgen sprach der Forstbezirksleiter Rhein-Neckar, Philipp Schweigler, über den Kraichgauer Wald im Wandel.
Dabei stellte er dar, wie die Forstwirtschaft aus seiner Sicht den Umbau der Wälder in Zeiten des Klimawandels vorantreiben muss, um deren Anpassung an den rasant voranschreitenden Klimawandel zu unterstützen.
Er zeichnete ein Bild der Wälder der Zukunft, die in unserer Region beispielsweise durch Flaumeichen geprägt sein könnten, wie sie heute in der Mittelmeerregion vorkommen.
Wie nachhaltig ist die Holzwirtschaft?
Höhepunkt aus unserer Sicht war natürlich der Vortrag der Sprecherin unserer Bürgerinitiative, Dr. Gerlind Wallon.
Mit ihrer Präsentation schaffte sie den Spagat, unsere Bürgerinitiative vorzustellen als auch eine wissenschaftliche Betrachtung zur Nachhaltigkeit der Holzwirtschaft zu transportieren.
Zum Einstieg setzte sie dabei auf die Macht der Bilder und zeigte ein kurzes Video mit Eindrücken aus dem Nußlocher Gemeindewald.
Dabei gab es neben sehr schönen Eindrücken auch weniger schöne Eindrücke zu sehen, welche schließlich zur Formierung unserer Initiative geführt haben.
Eindrücke aus dem Nußlocher Wald
Anschließend ließ Gerlind Wallon die Ereignisse, die sich in den letzten drei Jahren im Nußlocher Wald zugetragen haben, Revue passieren und berichtete von unseren mehr oder weniger erfolgreichen Versuchen, mit den Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen oder rechtliche Fragestellungen prüfen zu lassen.
Dabei stieß sie auf den einen oder anderen „zahnlosen Tiger“ im Nußlocher Wald, welcher den Untertitel der Präsentation motivierte: „Von zahnlosen Tigern im Nußlocher Wald und anderen Seltsamkeiten“.
Aufzeichnung unseres Vortrags
Im zweiten Teil des Vortrags ging es dann um die Nachhaltigkeit der Holzwirtschaft. Nach einem Überblick über die Entwicklung der Holznutzung und der Holzhandelsströme gab Gerlind Wallon Einblicke in die thermische Nutzung von Holz.
Dazu verglich sie plakativ die Energie- und CO2-Bilanzen zweier beispielhafter Familien, die ihre Heizungen mit Gas oder mit Holzfeuerung betreiben. Auch das Thema Feinstaubbelastung kam dabei nicht zu kurz.
Zum Ende des Vortrags appellierte sie eindringlich, unsere Wälder nicht weiter zu verfeuern und stattdessen den Holzmarkt stärker zu regulieren, so dass lokale Wertschöpfung wieder im Mittelpunkt steht.
Auch das aktuelle Konsumverhalten muss ihrer Ansicht nach hinterfragt werden. Der wertvolle Rohstoff Holz sollte weniger stark für Verpackung und thermische Nutzung verbraucht werden, sondern verstärkt in langlebige Produkte eingehen.
Ihre (vielleicht nicht bei allen Zuhörern populäre) Empfehlung in der aktuellen Energiekrise: Man kann sich auch an Innentemperaturen von 18 – 19 °C gewöhnen, sprich: weniger Energie verbrauchen!
Folien des Vortrags zum Download
Wilder Wald – Natur Natur sein lassen
Mit der Filmpremiere „Wilder Wald“ über den bayerischen Nationalpark fand der erste Tag des Symposiums einen würdigen Abschluss. Im schönen Ambiente der Klima Arena ließen wir den ersten Tag mit Eindrücken aus der Natur ausklingen.
Fortsetzung am zweiten Tag
Auch der zweite Tag des Symposiums war hochkarätig besetzt. Leider konnten wir an diesem Tag aber erst zum Abschlussvortrag von Prof. Dr. Jürgen Bauhus und zur anschließenden Podiumsdiskussion dazu stoßen.
So haben wir u.a. die Lesung von Alexandra von Poschinger aus dem Buch „Wilder Wald“ und die Vorträge „Wald als komplexer Organismus“ von Alexander Held vom European Forest Institute und über „Wald im Privatbesitz“ von Dieter von Helmstatt verpasst.
Wege zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel
Zum Vortrag von Professor Dr. Jürgen Bauhus, welcher an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg lehrt und den Lehrstuhl für Waldbau leitet, waren wir dann aber wieder vor Ort.
Jürgen Bauhus ist u.a. ein wichtiger Berater des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft und ist Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Ausschüsse und Expertengremien.
Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Steuerung des Wachstums von Bäumen und der Zusammensetzung von Waldökosystemen sowie den Auswirkungen dieser Steuerung. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit der Frage, welche Bäume dem Klimawandel in Europa standhalten.
In seinem Vortrag brach Jürgen Bauhus entsprechend eine Lanze für die aktive Umgestaltung der Wälder, um sie schneller an den fortschreitenden Klimawandel anzupassen. Insgesamt zeichnete er dabei ein eher düsteres Bild der Zukunft unter den Einflüssen des Klimawandels.
Andererseits stellte er klar, dass niemand weiß, wie sich das Klima tatsächlich weiter entwickeln wird und dass man deshalb so viele Optionen wie möglich offen halten sollte. Das Abreißen des Golfstroms könnte beispielsweise zu einer Temperatursenkung in Europa führen.
Auch die eine oder andere Spitze in Richtung der für eine natürliche Waldbehandlung plädierenden Akteure in Deutschland konnte sich Jürgen Bauhus nicht verkneifen.
So sagte er zum Beispiel über Peter Wohlleben, Deutschlands zur Zeit vermutlich bekanntesten Förster:
Nach einer kurzen Pause fand dann die abschließende Podiumsdiskussion statt.
Abschließende Podiumsdiskussion
Unterstützt durch die sehr gute Moderation von Alexandra von Poschinger kamen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer gleichermaßen zu Wort und konnten ihre Gedanken mit dem Publikum teilen.
Wir haben uns sehr gefreut, dass Gerlind Wallon als Vertreterin der Zivilgesellschaft an der Diskussion teilnehmen konnte. Sie agierte dabei auf Augenhöhe mit Alexander Held und Jürgen Bauhus.
Ganz am Ende gab es fürs Publikum nochmal Gelegenheit, Fragen ans Podium zu richten und gemeinsam mit den Akteuren auf der Bühne einen Blick 300 Jahre in die Zukunft zu werfen: Wie werden unsere Wälder dann wohl ausschauen, wie wird es um unseren Planeten bestellt sein?
Unser Fazit
Wir bedanken uns für eine wirklich gelungene Veranstaltung zu einem äußerst relevanten Thema, die wegen der spannenden Beiträge und hochkarätigen Besetzung sicherlich noch mehr Besucher verdient gehabt hätte.
Spannende und engagierte Menschen vor und hinter den Kulissen, tolle Beiträge und gute Diskussionen – was kann man mehr erwarten von einer solchen Veranstaltung!