Forstliche Praxis in Leimen

Was bedeuten Gemeindegrenzen für Schutzgebiete im Wald? Wir haben uns am Wieslocher Weg zwischen Leimen und Nußloch umgesehen...

Nicht nur Wald- und Naturfreunden stockt sicherlich der Atem, wenn sie an diesen Tagen entlang des Wieslocher Wegs von Nußloch nach Leimen spazieren oder mit dem Fahrrad unterwegs sind.

Waldeinschlag Leimen

Links und rechts des Weges stapeln sich die gefällten Bäume – etliche Buchen, einige Eschen. Die Rückegassen haben an manchen Stellen einen Abstand von nur 12 – 14 Metern. Wünschenswert sind mindestens 40 m, um den wertvollen Boden nicht übermäßig zu verdichten. Hier ist alles von schwerem Gerät zerfahren. So weit das Auge reicht gleicht der Wald einem Schlachtfeld.

FFH-Schutzgebiet Steinachtal und Kleiner Odenwald

Und wir befinden uns hier nicht in einem beliebigen Wald. Nein, dieser Waldabschnitt ist – genau wie der im Süden auf Nußlocher Gemarkung anschließende Teil – als Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebiet nach europäischem Schutz-Regime Natura 2000 geschützt. Bei Natura 2000 geht es darum, gefährdete oder typische Lebensräume und Arten in Europa zu schützen.

Auf den Seiten des Regierungspräsidiums Karlsruhe heißt es zu diesem speziellen Schutzgebiet:

In den großflächigen Laubwäldern geht die fluggewandte Bechsteinfledermaus auf nächtliche Insektenjagd und findet am Tag Quartier in Baumhöhlen und Rindenspalten. Alter Baumbestand ist auch wichtig für die Entwicklung von Grünem Besenmoos und Hirschkäfer. […] Gemeinsam mit Ihnen wollen wir dieses vielfältige europäische Naturerbe erhalten!

Regierungspräsidium Karlsruhe

Und tatsächlich ist der betroffene Waldabschnitt in den zugehörigen Karten des Managementplans als Fledermaus-Schutzgebiet gekennzeichnet.

Waldeinschlag Leimen

Gute forstliche Praxis?

All diese Aspekte haben die Stadt Leimen und die ausführenden Förster offensichtlich nicht davon abgehalten, beachtliche Eingriffe vorzunehmen. Unter den geschlagenen Bäumen auch solche mit Habitatmerkmalen, welche für heimische Arten besonders wertvoll wären.

Der Wald wurde dabei ähnlich stark aufgelichtet wie vor einigen Jahren in Nußloch, als sich im Anschluss unsere Bürgerinitiative formierte.

Die damals erfolgten Schirmschläge auf Nußlocher Gemarkung wurden entsprechend von Greenpeace (Schutzgebiete schützen nicht!) und auch im Rahmen eines Voraudits nach FSC im letzten Jahr von den Auditoren kritisiert.

Erst im November letzten Jahres wurde bei Report Mainz der Beitrag „Auf Kosten der Natur: Abholzung in Schutzgebieten“ ausgestrahlt, welcher in der breiten Öffentlichkeit für viel Bestürzung gesorgt hat.

Nußloch im Vergleich zu Leimen

Der auf Leimener Gemarkung liegende Wald geht im Süden in den Nußlocher Gemeindewald über. Hier hat unsere Bürgerinitiative in den letzten Jahren im Dialog mit Bürgermeister, Verwaltung und Gemeinderat einige Fortschritte im Sinne einer besseren Waldbehandlung erzielen können.

Die Ergebnisse des Dialogs sind in einem Leitbild „Klimastabiler, naturnaher Wald“ festgehalten, welches im Wesentlichen die Vorgaben des ohnehin verbindlich geltenden FFH-Managementplans wiederholt und inhaltlich an die Naturland-Zertifizierung angelehnt ist.

Dank dieses Leitbilds wird der Nußlocher Wald inzwischen besser behandelt als noch vor wenigen Jahren, auch wenn nach wie vor nicht alle Vereinbarungen und Vorgaben zu 100% eingehalten werden. In Zeiten des Klimawandels, in denen der Waldzuwachs deutlich unter den dem Forsteinrichtungswerk zugrundeliegenden Schätzungen liegt, wurde der Einschlag sukzessive reduziert.

So wie ein angeschlagener Patient in der Humanmedizin Ruhe braucht, um sich zu erholen, verlangt auch der Wald in dieser schwierigen Zeit nach einer Minimierung der Störungen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass sich der Wald durchaus an sich verändernde Bedingungen anpassen kann. Erkenntnisse aus der Epigenetik zeigen, dass z.B. Buchen bei der Naturverjüngung widerstandsfähiger gegen Trockenheit und Hitze werden.

Überall in der Region haben sich in den letzten Jahren Bürgerinitiativen formiert, die den Dialog mit den politischen Entscheidern suchen. Denn der Wald ist zu wertvoll, als dass wir ihn gedankenlos zerstören sollten.

Dies gilt allerdings nicht für Leimen. Jedenfalls ist uns dort keine Initiative bekannt, die sich für einen naturnahe Waldbehandlung und eine Begrenzung des Holzeinschlags einsetzt. Weshalb das so ist, das wissen wir nicht.

Wo kein Kläger ist…

Nein, der Wald- und Naturschutz sollte nicht an der Ortsgrenze enden – das Schutzgebiet nach Natura 2000 tut es auch nicht, und auch der zuständige Revierförster ist auf beiden Seiten der Ortsgrenze derselbe. Auch Fledermäuse, Hirschkäfer und anderen schützenswerte Arten machen nicht Halt an der Grenze zwischen Nußloch und Leimen.

Trotzdem scheint es in Leimen keine kritischen Stimmen zu geben, die die massiven Eingriffe in den Wald hinterfragen. Bei unseren ausgedehnten Spaziergängen sind wir immer wieder entsetzt, wieviele der alten Bäume – vornehmlich Buchen – bereits abgeholzt wurden.

Waldeinschlag Leimen

Forstwirtschaft in Leimen

An dieser Stelle wollen wir gerne einige Fotos teilen, welche wir bei unserem gestrigen Spaziergang aufgenommen haben. Ein Großteil des geernteten Holzes dient als Brennholz. Diese Art der Nutzung ist erwiesenermaßen weder energieeffizient noch nachhaltig und führt außerdem zu einer erhöhten Feinstaubbelastung.

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