Leitbild “Klimastabiler, naturnaher Wald” im Praxistest

Leitbild "Klimastabiler, naturnaher Wald" - gibt es durch das neue Leitbild erkennbare Unterschiede in der Art der Waldbehandlung? Wir haben das Leitbild einem subjektiven Praxistest unterzogen und in Ausschnitten kommentiert.

Ende letzten Jahres wurde das überarbeitete Leitbild “Klimastabiler, naturnaher Wald” verabschiedet (und direkt im Anschluss in Teilen wieder ausgesetzt, worüber wir sehr enttäuscht waren).

In einer Reaktion auf die von unserer Bürgerinitiative übergebenen Petition zum besseren Schutz des Nußlocher Gemeindewaldes äußerte sich Bürgermeister Förster wie folgt zum neu erarbeiteten Leitbild:

Das Leitbild des Waldes ist gut aufgestellt, es muss eingehalten werden und ein Vertrauen an die Verwaltung zur Umsetzung des Leitbildes, kann hier erwartet werden.

Bürgermeister Joachim Förster, Gemeinderatssitzung am 14.12.2022

Positive Entwicklung

Wir haben positiv zur Kenntnis genommen, dass der Holzeinschlag in der letzten Forstperiode niedriger war als im Forsteinrichtungswerk veranschlagt.

Wir haben uns sehr gefreut, dass in das „Reservegebiet“ Neuer Weg (Gebiet 9) im letzten Jahr nicht eingeschlagen wurde.

Dr. Lutz Fähser hatte sich bei seinem Besuch des Nußlocher Gemeindewaldes leidenschaftlich für den Erhalt eben dieses Waldabschnitts stark gemacht.

Bei seinem Vortrag im Evangelischen Gemeindehaus am 24.4.2023 äußerte er sich entsprechend wohlwollend ob der jüngsten Entwicklungen und der Offenheit unseres Bürgermeisters, Maßnahmen zum Schutz des Waldes auf den Weg zu bringen.

…und was ist mit dem Leitbild?

Wir haben uns aber auch die Frage gestellt, ob das verabschiedete Leitbild tatsächlich umgesetzt und eingehalten wurde, was sich in einer anderen Art der Waldbehandlung hätte zeigen müssen.

Das Leitbild im Praxistest

Wir sind deshalb die Inhalte des Leitbilds durchgegangen und haben die Vorgaben mit unseren Beobachtungen der letzten Monate abgeglichen.

Im Ergebnis haben wir 7 der 11 Abschnitte des Leitbilds mit Kommentaren versehen, welche unsere subjektive Sicht auf die Einhaltung der Vorgaben darstellen. Diese Kommentare spiegeln auch einige Rückmeldungen aus der Bevölkerung, dass es seit der Verabschiedung des Leitbilds zu keiner erkennbaren Veränderung der Waldbehandlung gekommen sei.

In der linken Spalte haben wir Auszüge des Leitbilds dargestellt, in der rechten Spalte jeweils Kommentare zu unseren Beobachtungen oder auch Empfehlungen.


Leitbild Klimastabiler, naturnaher Wald

Kommentare zur Umsetzung des Leitbilds

1. Ziele

Die Bewirtschaftung des Nußlocher Waldes erfolgt unter folgenden Oberzielen:

  • Erhalt des Waldes und Steigerung des Holzvorrats
  • Erhalt der Waldfunktion insbesondere der Erholungsfunktion, der Naturschutzfunktion und der Holzbereitstellung

Umgesetzt werden diese Ziele durch eine naturnahe und nachhaltige Waldbewirtschaftung.

Kommentare

Bis heute sind keine Maßnahmen zur Erhöhung des Holzvorrats zu erkennen.

Naturnähe und Nachhaltigkeit bei der Waldbewirtschaftung wurden nicht verbessert (siehe folgende Punkte).


2. FFH Management Plan

Die Gemeinde Nußloch anerkennt die im Managementplan definierten Ziele und sichert die Umsetzung der erforderlichen und empfohlenen Maßnahmen zur Erhaltung der bestehenden Lebensraumtypen und Lebensstätten zu und strebt deren Weiterentwicklung an.

Kommentare

Der FFH-Managementplan gibt u.a. Maßnahmenempfehlungen wie folgt:

  • Naturnahe Waldwirtschaft fortsetzen
  • Erhaltung bedeutsamer Waldstrukturen – Altholz, Totholz
  • Schonung bei Holzernte

Eine Umsetzung der definierten Ziele und Maßnahmen ist in weiten Teilen nach wie vor nicht zu erkennen.

Beispiele:

  • Erweiterung des Schirmschlags entlang des Wieslocher Wegs und damit einhergehende Entnahme alter Bäume, so dass nicht mehr alle Altersphasen wie vorgegeben anzutreffen sind.
  • Rückegasse-Netz wurde nach wie vor im Abstand von 20 Metern befahren, keine Stilllegung übererschlossener Rückegassen wie vereinbart
  • Einbringung von Esskastanien in den Lebensraumtyp Waldmeister-Buchenwald, was zu einer Verschlechterung des entsprechenden Lebensraums führt
  • Nach wie vor Einsatz von Vollerntern (Harvestern) zur großflächigen Entnahme von geschwächten Fichten (z.B. Tanngartenweg, Blockhüttenweg/Ringweg, Maisbacher Weg, Wieslocher Weg)
  • Rücke- und Ernteschäden – frische Rindenverletzungen (z.B. Richtstattweg) und abgebrochene Äste an intakten Buchen (z.B. Blockhüttenweg am Fichtenkahlschlag)
  • Keine erkennbaren Maßnahmen zum Schutz schützenswerter Arten (Verlust von Quartierbereichen verschiedener Fledermausarten, kein Belassen von Baumstubben zur Förderung des Hirschkäfers, Verringerung der Höhlenbaumdichte etc.)
  • Keine wirksamen Maßnahmen zur Bekämpfung von Neophyten
  • Nach wie vor keine Verträglichkeits(vor)-prüfungen vor forstlichen Eingriffen

3. Allgemeine Grundsätze

Keine Kommentare


4. Baumartenauswahl

Die Naturverjüngung hat Vorrang vor
Pflanzungen und Saat. Ziel ist die
Baumartenzusammensetzung natürlicher
Waldgesellschaften. Nicht-heimische Arten
bzw. Gastbaumarten sollen einen Anteil von
10 % nicht überschreiten. Das Einbringen
gentechnisch veränderter Pflanzen ist
untersagt.

Kommentare

Dieser Punkt ist teilweise redundant mit Punkt 2., welcher strengere Regelungen bei der Baumartenauswahl vorsieht.

Zur Zeit des FSC-Voraudits wurden z.B. Esskastanien in den Wald eingebracht, was im Rahmen des FFH-Managementplans eine Verschlechterung des Lebensraumtyps Waldmeister-Buchenwald bedeutet und deshalb unzulässig ist.

Douglasienaufforstung entlang des Kahlschlags am Ringweg/Blockhüttenweg wurde weiterhin flächig ergänzt.


5. Bodenbearbeitung

Ziel der ökologischen Waldnutzung ist eine ungestörte Waldbodenentwicklung.

Kommentare

Nach wie vor Nutzung von Vollerntern (Harvester und Forwarder), welche aufgrund des hohen Gewichts den Waldboden verdichten und belasten.

Flächiges Befahren, Bodenbearbeitung und Maßnahmen zur Waldbodenentwässerung sind nicht zulässig.

Neu angelegter Entwässerungskanal entlang des Amerikanerwegs, Verlegung neuer Wasserrohre entlang des Weges und auch als Unterquerung des Weges.


6. Waldnutzung und Waldschutz

Zur Nutzung erfolgt regelmäßig eine einzelstammweise Entnahme mit dem Ziel, das Bestandinnenklima des Walds nicht zu verändern und gleichzeitig Mischbaumarten und trockenheitstolerante Baumarten/ Bäume zu fördern. Ziel ist zudem die Erhöhung des Holzvorrats auf 400 Vfm/ha (Vorratsfestmeter). Dies führt im Vergleich zum Forsteinrichtungswerk (Hiebsatz 2.100 Efm/Jahr (Erntefestmeter) zu einer Reduzierung des Hiebsatzes auf 1.200 Efm/Jahr.

Kommentare

Beschränkung des Hiebsatzes wurde durch den Gemeinderat für dieses Jahr ausgesetzt.

Maßnahmen zur Erhöhung des Holvorrats sind nicht erkennbar.

Kahlschläge werden grundsätzlich unterlassen; in Bereichen mit einer hohen Anzahl an abgestorbenen Bäumen ist in begründeten Fällen die vollständige Entnahme auf einer Fläche bis max. 0,3 ha zulässig.

Bereits vorhandene Kahlschläge (z.B. Ringweg/ Blockhüttenweg) wurden erneut erweitert, so dass die Gesamtfläche 0,3 ha deutlich überschreitet.

Der Totholzanteil im Wald soll bis zum Jahr 2042 auf 40 m³/ha erhöht werden, um Insekten, Pilzen, weiteren Einzellern sowie Kleintieren ausreichend Lebensraum und Nahrung zu bieten. Um den Trend der Entwicklung zu dokumentieren, wird der Totholzanteil alle 10 Jahre stichprobenartig erfasst.

Der Totholzanteil soll im Jahr 2024 (Zwischeninventur) erhoben werden. Geschätzt wird er auf 20 m3/ha (BW- Durchschnitt). Bis heute sind keine Maßnahmen zur Erhöhung zu erkennen.

Waldrefugien werden wie in Anlage 1 dargestellt ausgewiesen. In diesen Bereichen findet weder eine Bewirtschaftung noch eine Holzentnahme statt. Die Waldrefugien dienen als Referenzflächen für die FSC-/ Naturland-Zertifizierung.

Aktuell sind 39 Habitatbaumgruppen ausgewiesen. Ziel ist die Ausweisung weiterer Habitatbaumgruppen. Habitatbäume, insbesondere Höhlenbäume, Horstbäume oder Bäume mit besonderen Habitatmerkmalen werden im gesamten Waldbereich erhalten. Methusalembäume (Stammdurchmesser > 100 cm) werden ebenfalls erhalten. Mittel- bis langfristig sollen entsprechend den Vorgaben des FFH-Managementplans weitere Bäume unter Schutz gestellt werden.

Die ausgewiesenen Waldrefugien befinden sich größtenteils an Waldrandgebieten oder außerhalb der Kernwaldgebietes, teilweise in schmalen Streifen oder entlang eines Weges. Sie sind damit nicht als Referenzflächen geeignet.

Neu markierte Habitatbäume und Habitatbaumgruppen zwischen Ringweg und Blockhüttenweg wurden bislang nicht in die offizielle Kartierung aufgenommen. Entlang des Schirmschlags am Wieslocher Weg wurden keine Habitatbäume erhalten.

Die von BM Förster im Jahr 2021 sowohl in der Rathaus-Rundschau (Ausgabe 11) als auch in facebook dargestellte Habitatbaumgruppe am Wieslocher Weg ist weder entsprechend markiert noch kartiert (siehe Abb. 1), außerdem weisen die dargestellten Bäume keine Habitatmerkmale auf.

Methusalembäume wurden bereits in den Vorjahren systematisch entfernt, so dass nur noch eine minimale Anzahl an Bäumen dieses Kriterium erfüllt.


7. Jagd

Keine Kommentare


8. Erschließung, Holzernte und Holzlagerung

Kommentare

Die Holzernte erfolgt über das bestehende Rückegassennetz. Unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse werden in der Regel nicht mehr als 10 % des Waldbodens (dies entspricht einem Rückegassenabstand von 40 m) befahren. In nach dieser Definition übererschlossenen Bereichen werden überzählige Rückegassen nicht mehr verwendet.

Rückegassen im Abstand von 20 m und weniger werden weiterhin benutzt (z.B. am Wieslocher Weg). Einfahrtsbereiche dieser Gassen sind teilweise bis zu 15 m breit (z.B. Rückegassen am Wieslocher Weg).

Geerntete Fichten gestapelt an intakten Bäumen, dies entspricht nicht der guten forstlichen Praxis (z.B. Amerikanerweg am Abzweig nach Maisbach) und führt zu Beschädigungen gesunder Bäume.

Die Holzbringung erfolgt über die Rückegassen bzw. Forstwegen und wird bei geeigneter Witterung durchgeführt.

Holzernte wird nach wie vor bei jeder Witterung durchgeführt.


9. Düngung und Einsatz chemisch-synthetischer Präparate

Keine Kommentare


10. Natürliche Dynamik

Keine Kommentare


11. Referenzflächen

Für den wiederkehrenden Vergleich mit den bewirtschafteten Flächen werden unbewirtschaftete Referenzflächen ausgewiesen, die die wichtigsten Bestandstypen des Waldbetriebes repräsentieren. Ziel ist es dabei, lokale und standörtliche Informationen über die natürliche Waldentwicklung und damit für die ökologische Waldnutzung zu erhalten. Innerhalb von drei Jahren (bis 2025) sind mindestens 10 % der Waldfläche als Referenzflächen auszuweisen.

Kommentare

Wir schlagen vor, das Gebiet 9 / Neuer Weg (ca. 7,5 ha) als zusätzliche Referenzfläche auszuweisen.


Fazit & nächste Schritte

Während wir uns mit der aktuellen Version des Leitbilds prinzipiell in die richtige Richtung bewegen, hapert es unserer Ansicht nach leider noch immer bei der Umsetzung der vereinbarten Vorgaben.

Insbesondere Abschnitt 2 des Leitbilds, welcher auf den FFH-Management-Plan referenziert, wirft in der Umsetzung nach wie vor Fragen auf. Dabei sind die Regelungen des FFH-Management-Plans nach europäischem Recht ohnehin gesetzlich verbindlich und müssen – ganz unabhängig vom Leitbild – eingehalten werden.

Die Entnahme von Holz muss unserer Ansicht nach in den nächsten Jahren weiter verringert werden, da die angenommenen Zuwachsraten des Waldes in Zeiten des Klimawandels, extremer Hitze und zunehmender Trockenheit nicht mehr der Realität entsprechen, so dass weniger nachwächst als das, was entnommen wird.

Ansonsten geht unser wunderbarer Wald für immer verloren.

Auch das Einbringen neuer, künstlicher Entwässerungsstrukturen in den Wald (wie beispielsweise am Amerikanerweg) stellt aus unserer Sicht einen klaren Verstoß gegen die Vorgaben des Leitbilds dar und ist für uns nicht nachvollziehbar.

Entwässerung im Wald

Wir haben der Verwaltung unsere Kommentare zur Verfügung gestellt und darum gebeten, diese auch an den Gemeinderat weiterzuleiten.

Außerdem haben wir uns für eine weitere Gesprächsrunde mit dem AK Forst angeboten, sollte es Rückfragen zu den von uns gemachten Beobachtungen geben.

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