Im Frühjahr 2021 hat sich unsere Bürgerinitiative Waldvision Nußloch als Zusammenschluss mehrerer Bürger*innen formiert.
Verbindendes Element war die gemeinsame Sorge um den Nußlocher Gemeindewald in Zeiten des Klimawandels und die Angst, dass eine möglicherweise nicht angemessene Bewirtschaftung des Walds zu einer Verstärkung der Folgen des Klimawandels führt, anstatt ihnen entgegenzuwirken.
Ausgelöst wurde diese Sorge durch forstwirtschaftliche Maßnahmen, die allen Besucher*innen des Waldes unmittelbar ins Auge fielen. Als abschreckendes Beispiel sei hier exemplarisch der Distrikt „Buchwald“ genannt, aber auch der großflächige Buchenkahlschlag entlang des Wieslocher Wegs hat für viel Entsetzen gesorgt.
Zeit für eine erste Zwischenbilanz
Waren wir erfolgreich in unserem Tun? Eine Antwort auf diese Frage hängt wohl vom Auge des Betrachters ab.
Höhepunkte
Um anderen besorgten Bürger*innen ein Forum zu bieten und um über unsere Aktivitäten zu informieren, haben wir eine eigene Webseite erstellt.
Insgesamt 40 Artikel haben wir seit dem 2. Quartal 2021 auf der Webseite veröffentlicht. In einem bunten Mix aus Information, offenen Briefen, Berichterstattung und Videobeiträgen haben wir dabei die forstwirtschaftlichen Maßnahmen im Nußlocher Wald kritisch begleitet.
Drei Artikel, die auch als Hilfestellung für unseren Gemeinderat gemeint waren, möchten wir exemplarisch hervorheben:
- Waldmeister-Buchenwald in Nußloch – Die besondere Charakteristik unseres Gemeindewaldes
- Fauna-Flora-Habitat-Gebiet und Natura 2000 – was ist das eigentlich?
- Fauna-Flora-Habitat-Managementplan – Vorstellung der für unseren Wald rechtsverbindlichen Vorgaben
Klimaratssitzung am 22.6.
Am 22.6. nahmen etliche Bürger*innen an der Klimaratssitzung der Gemeinde Nußloch teil. Der Forst stellte dort einen Leitbildentwurf „Klimastabiler, naturnaher Wald“ vor, der aus unserer Sicht weder selbstkritisch noch zukunftstauglich daher kam.
Weitere Sitzungsteilnehmer teilten unsere Sicht, die auch kurz zuvor in der Rhein-Neckar-Zeitung in Form eines Leserbriefs veröffentlicht worden war.
Ermuntert durch die vielen positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung haben wir einen ökologsch orientierten Gegenvorschlag zum Leitbildentwurf zu Papier gebracht und dem Klimarat zur Verfügung gestellt.
Waldspaziergang am 10.7.
Am 10. Juli 2021 haben wir schließlich einen Waldspaziergang mit Forstwissenschaftler Volker Ziesling veranstaltet, der sich schon zuvor einen Eindruck von unserem Wald verschafft und unsere Fragen beantwortet hatte (Teil 1 | Teil 2). Zu dieser Veranstaltung hatten wir auch die Vertreter*innen des Gemeinderats eingeladen.
Die Rhein-Neckar-Zeitung berichtete mehrfach über unsere Aktionen und war auch während des Spaziergangs vor Ort.
Verabschiedung des Leitbilds am 13.10.
Am 13.10. verabschiedete der Gemeinderat schließlich eine überarbeitete Version des Leitbilds „Klimastabiler, naturnaher Wald“. In unserem Artikel „Chance vertan“ haben wir darüber berichtet…
Traditionelle Haushaltsreden der Fraktionen am 15.12.
In der Gemeinderatssitzung vom 15.12. wurden schließlich die traditionellen Haushaltsreden der Fraktionen vorgetragen. Der Nußlocher Gemeindewald schaffte es als Thema immerhin in die Reden der CDU, der Fraktion Bündnis ’90/Die Grünen und der SPD.
Lediglich die Fraktion FDP/Bürger für Nußloch fand das Thema Gemeindewald im Rückblick auf das Jahr 2021 nicht erwähnenswert.
Auf Antrag der Fraktion Bündnis ’90/Die Grünen wurden für 2022 Mittel in den Haushalt eingestellt, um eine höherwertige Zertifizierung (FSC) des Nußlocher Gemeindewalds auf den Weg zu bringen. Immerhin wurde dieser Antrag einstimmig angenommen und ist ein Signal in die richtige Richtung. Auch eine langfristige Zertifizierung nach „Naturland“, welche ein echter Schritt nach vorne wäre, wurde in Aussicht gestellt.
Insgesamt gesehen haben wir eine Diskussion zum Thema Wald ausgelöst, die es ohne uns vermutlich so nicht gegeben hätte. Dies ist möglicherweise unser größter Erfolg.
…und Tiefpunkte
Im Rückblick sind wir sehr enttäuscht, wie wenig wir gleichzeitig – aus unserer Sicht – im Jahr 2021 erreicht haben.
Das letztlich durch den Gemeinderat verabschiedete Leitbild spiegelt nicht, dass wir den Entscheidern die Problematik des Nußlocher Gemeindewalds verständlich vermitteln konnten. Ökologische Ansätze, die in Zeiten des Klimawandels so dringend erforderlich wären, fehlen fast komplett. Dafür strotzt das Papier vor Hintertürchen, die sich der Forst offen lässt. Auch haben wir keine Bereitschaft erkennen können, eine neutrale ökologische Beratung in Anspruch nehmen zu wollen.
Insgesamt hat der Gemeinderat hier einstimmig ein „Weiter so!“ beschlossen.
Schon wenige Tage nach der Verabschiedung des Leitbilds wurde ein weiterer Kahlschlag mit flächiger Befahrung des Bodens im Nußlocher Gemeindewald durchgeführt. Eindrucksvoller konnte der Forst nicht demonstrieren, wie das Leitbild verstanden wird.
Auch empfanden wir den Dialog mit den Vertretern der Gemeinde insgesamt als wenig wertschätzend – eine funktionierende Bürgerbeteiligung sieht in unserer Wahrnehmung definitv anders aus. Oft wurden Absprachen nicht eingehalten, ein echter runder Tisch kam nicht zu Stande.
Überrascht waren wir von der Einschätzung anderer lokaler NGOs, die sehr beeindruckt waren von dem, was wir im Jahr 2021 erreicht hätten. Möglicherweise liegt die Messlatte hier sehr niedrig…
Vernetzung mit anderen Initiativen
Bemerkenswert haben wir die Vernetzung mit anderen Bürgerinitiativen aus der Region wahrgenommen.
Ob in Sandhausen, Heidelberg oder Neckargemünd – die Themen sind überall vergleichbar. Jeden Tag werden wir mehr, jeden Tag werden wir ein bisschen lauter.
Die überregionale Bürgerinitiative Waldwende Jetzt! versucht, die Aktivitäten all dieser lokalen Initiativen zu vernetzen und unstertützt tatkräftig mit Rat und Tat – herzlichen Dank dafür!
Rückmeldungen aus der Bevölkerung
Bedanken möchten wir uns bei den vielen Mitbürger*innen, die uns im Rahmen unserer Tätigkeit kontaktiert und bestärkt haben.
Verunsicherung, Enttäuschung, Wut
Aus den zahlreichen Zuschriften möchten wir hier exemplarisch zitieren, um ein Stimmungsbild zu vermitteln, wie es uns gespiegelt wird.
Schaut man sich den Waldfrevel auch dieses Jahr wieder an, dann weiß man wie wichtig ein solches Projekt gerade im Nußlocher Gemeindewald ist.
In den letzten Jahren mache ich mir aber zunehmend Sorgen um den Zustand des Waldes, insbesondere um die Folgen der bisherigen Waldbewirtschaftung. Mir liegt viel daran, dass diese Art der Bewirtschaftung unseres Waldes so nicht fortgesetzt wird. Ich wünsche euch und allen Nußlochern, dass aus eurer Vision Realität wird!
Es ist traurig, dass es eine Gruppe wie Euch geben muss, um den Nußlocher Wald so zu erhalten, wie er einmal war. Seit Jahren beobachte ich die Entwicklung im Nußlocher Wald mit großer Sorge und ärgere mich über die massive Veränderung, die angeblich der Rettung des Waldes dienen soll. Den Wald retten durch Abholzung. Oder waren damit die Festmeter Nutzholz gemeint?
Der Schaden in Nußloch ist massiv gesetzt worden. Sämtliche alten Buchen wurden aus Profitgier geschlagen. Der Vortrag einer neuen Leitlinie ist Makulatur. Ich lebe seit 1998 in Nußloch und habe das Gebaren der Gemeinde mit Abscheu beobachtet. Der Zugriff auf die Ressourcen, beginnend mit der Umgestaltung des Alten Berges, ist leicht zu durchschauen. Die Frage ist doch, wird der Wald als primärer Nutzwald gesehen oder ist er Erholungsgebiet für die Bürger. Traditionelle Kräfte der Gemeinde meinen frei über die Ressourcen verfügen zu können. Sie haben nun Tatsachen geschaffen. Erosion und Versteppung des Waldbodens sind überall sichtbar.
Ausblick 2022
Wie geht es weiter im neuen Jahr? Wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken und weiter unseren Beitrag leisten, die Bevölkerung und auch den Gemeinderat aufzuklären über Dinge, die grundlegend falsch laufen im Nußlocher Gemeindewald.
Weitere Waldspaziergänge und auch Online-Veranstaltungen sind in Planung. Die Zahl unserer Newsletter-Abonennten wächst stetig an, und auch unsere Präsenzen auf Facebook, YouTube und Instagram erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.
Wir bedanken uns bei allen Unterstützer*innen und laden alle Waldinteressierten ein, uns auf unserer weiteren Reise zu begleiten. Es gibt noch viel zu tun, und noch ist nicht alles verloren!